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Ausstellung in Gaienhofen zu Hermann Hesses "Glasperlenspiel" im "Dritten Reich"

Meldung vom 22.02.2019

HHP

Hesses 'Glasperlenspiel' im 'Dritten Reich'". Die von Lutz Dittrich (Berlin) kuratierte Ausstellung umfasst neben literarischen und historischen Dokumenten einige Film- und Hörstationen, mit denen die Zeitgeschichte wie auch der musikalische Horizont des "Glasperlenspiels" vergegenwärtigt wird. Ergänzend wird "Das Glasperlenspiel" auch bei den in diesem Jahr bereits am 18. und 19. Mai stattfindenden Gaienhofener Hesse-Tagen im Mittelpunkt stehen. Zur Ausstellung schreiben die Veranstalter: 1943 veröffentlichte Hermann Hesse seinen letzten Roman "Das Glasperlenspiel" in kleiner Auflage in der Schweiz; erst Ende 1946 wurde er auch einem größeren Publikum in Deutschland bekannt. Ursprünglich hätte er schon 1942 in Berlin erscheinen sollen, doch die NS-Behörden verweigerten die Druckgenehmigung. Seinem Sohn Heiner teilte Hesse 1942 resigniert mit, "dass das Buch nun also die Leser, für die es bestimmt war, nicht erreicht." Dass Hesse und sein Verleger Peter Suhrkamp "Das Glasperlenspiel" ganz bewusst inmitten des "Dritten Reiches" herausbringen wollten, wurde später kaum noch wahrgenommen. Die neu konzipierte Ausstellung versucht nun erstmals, die eminent politische Dimension der "Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht" aufzuzeigen vor dem Hintergrund der Zwänge, denen sich Hesse seit 1933 ausgesetzt sah: Bei der 1935/36 durch das Propagandaministerium erzwungenen "Arisierung" des S. Fischer Verlags wurde verfügt, dass Hesses Werkrechte in Deutschland zu verbleiben hatten, womit er in den Machtbereich der NS-Kulturpolitik geriet. Dadurch wurden dann z.B.  ohne Hesses eigenes Zutun oder Mitsprache seine dem Regime genehmen Werke gedruckt und im Krieg als Frontbuchhandelsausgaben hergestellt sowie in den der NSDAP unterstehenden Zeitungen in den besetzten Ländern nach Belieben abgedruckt. Diese Abdrucke führten dann, obwohl er keine Einflussmöglickeit auf sie hatte, nach dem Krieg zu Anschuldigungen Hesses, was sich bereits 1946 im Umfeld der Nobelpreisverleihung zeigte. In der Schweiz indes mussten sich Hesse und seine Frau Ninon immer wieder dafür rechtfertigen, dass sie unzählige Emigranten und jüdische Flüchtlinge selbstlos unterstützten. Von der Fremdenpolizei wurde Hesse sogar als geduldeter Wahl-Schweizer abgekanzelt. Gegen diese niederdrückenden zeitgeschichtlichen Umstände beharrte Hesse mit dem "Glasperlenspiel" auf der Wirksamkeit eines anachronistischen "ästhetischen Widerstands", der dem Gleichschritt des "Dritten Reiches", aber auch dem schweizerischen Oportunismus die Souveränität des individuellen Gewissens entgegenstellte. Wieder oder vielleicht ganz neu zu entdecken ist ein ebenso vielschichtiger wie spannender, weder der Exilliteratur noch der Inneren Emigration zugehöriger Roman, der seinem Autor in den mehr als 11 Jahren der Niederschrift "ein Panzer gegen die hässliche Zeit" war, wie Hermann Hesse 1943 seinem Sohn Martin schrieb.

Die Ausstellung ist von 17. März bis 15. September 2019 dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Führungen auf Anfrage.

Hesse Museum Gaienhofen Kapellenstr. 8 78343 Gaienhofen am Bodensee Tel. 07735-440 949 Fax 07735-440 948 E-Mail hesse-museum@gaienhofen.de www.hesse-museum-gaienhofen.de

(HSL / Quelle: Hesse-Museum Gaienhofen)

Zitat der Woche

„Oft ist die Welt schlecht gescholten worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen oder zu viel gegessen hatte.“

Aus Hermann Hesses Essay „Zarathustras Wiederkehr“, 1919