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Das Glasperlenspiel erklärt

Meldung vom 05.11.2012

"Ich habe zehn Jahre gebraucht, um zu verstehen, was das ›Glasperlenspiel‹ bedeutet. Jetzt habe ich dieses vielschichtige Werk kapiert – heute auf der Zugfahrt hierher!", gestand Johannes Heiner den Zuhörern im Hesse-Museum in Calw. Mit seinem Vortrag "Glasperlenspiel – Hermann Hesse als Schöpfer eines modernen Inter-Bewusstseins" unternahm er den gelungenen Versuch, sie an dieser Erkenntnis teilhaben zu lassen.   "Ich bin Hesse-Propagandist und will Sie begeistern dafür, ›Glasperlenspiel‹ nach dem heutigen Abend erneut zu lesen oder es überhaupt zu lesen, wenn Sie es bis jetzt noch nicht getan haben", warb Johannes Heiner, freischaffender Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und Kontemplationslehrer aus dem mittelfränkischen Proxdorf. "Ich kann Ihnen hoch und heilig versprechen, das ist das größte Werk von Hesse."   In seinem Vortrag beleuchtet er dieses Werk nicht literarisch, sondern arbeitet das heraus, was an Geist hinter den Worten steht und die inneren Gründe, warum das "Glasperlenspiel" so ist, wie es ist.   Heiner spannt einen Bogen von Stationen aus dem Leben Hermann Hesses über dessen lebenslange Suche nach dem Eins werden mit dem Sein bis zum Aufbau sowie zur Sprache des Werkes. Bildlich gesprochen jongliere Hesse mit vier Kugeln: dem pietistischen Christentum, mit Indien und hier mit den neu übersetzten Reden des Buddha, dem chinesischen Tao und mit dem japanischen Zen-Buddhismus. Allen vier Religionen oder Kulturen ist der Ruf des Lebens an uns Menschen gemeinsam. Wir sollen die uns mitgegebenen Fähigkeiten und Talente entwickeln, entfalten und Gutes damit tun.   Die Sprache der 50 Seiten langen Einleitung des "Glasperlenspiel" sei so trocken und sachlich. "Wenn du als Leser diese Seiten durchgestanden hast, bist du reif für die Lebensgeschichte des Glasperlenspielmeisters Josef Knecht", führte Heiner aus. Darin gehe es um geistige Werte wie Gelassenheit durch Meditation, Engagement für die Musik, Heiterkeit, achtsamen Umgang mit den Mitmenschen, das Loslassen von Amt und Beruf sowie die Einheit von Natur und Kunst. Oftmals lesen die Leute die drei angehängten Lebensläufe nicht, weil sie denken, diese hätten mit dem "Glasperlenspiel" nichts zu tun, jedoch werde man durch diese erst hingeführt zum Lebenslauf des Josef Knecht, betonte Heiner. Sie seien quasi historisch und führten wie auf einer Zeitschiene der Entwicklung sowie Wandlung vom Zeitalter der Unschuld über Krisen und Kampf zum Zeitalter der Überwindung der christlichen Mythen und dem Eingang ins Nirwana. Kastilien sei eine noch heute gültige Utopie der Kontemplation, des Erwachens und der Erweckung des Selbst, sozusagen ein "Werde der, der du bist" und ein Angebot zur Beschäftigung mit dem eigenen Lebensweg, das aktueller denn je sei. "›Glasperlenspiel‹ ist das Spiel auf der großen Orgel aller Kulturen, sozusagen ein globales Kulturspiel. Ein Spiel deshalb, weil in der Haltung des Spielens der Mensch frei ist", so Heiner in einer Schlussbetrachtung. Ebenso wie der Vortrag in Kooperation mit der Volkshochschule Calw fand am Samstag ein vertiefendes Tagesseminar zum "Glasperlenspiel" mit Heiner statt.   Neue und schon bewanderte Hesse-Leser finden auf der Webseite www.lyrikrilke.de viele Informationen und die Möglichkeit zum Austausch mit dem Hesse-Spezialisten Heiner.   Text und Fotos:Jeanette Tröger / Quelle:Schwarzwälder Bote  Eingestellt von: Pressebüro et cetera  

Zitat der Woche

„Aus den eifrigsten Jungen werden die besten Alten und nicht aus denen, die schon in der Jugend wie Großväter tun.“

Aus Hesses Roman „Gertrud“, 1910