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Die Stadt Calw würdigt den Hesse-Herausgeber Volker Michels

Meldung vom 26.10.2021

HHP

Hermann Hesses Geburtsstadt Calw hat mit einem Festakt vor geladenen Gästen Volker Michels geehrt, den Herausgeber der Werke und Briefe Hermann Hesses, der außerdem einst das Calwer Hesse-Museum mitgegründet und die dort von 1990 bis 2020 installierte Dauerausstellung zum Leben und Werk das Dichters konzipiert und gestaltet hat. Der Calwer Oberbürgermeister Florian Kling, der die Laudatio hielt bei dem von Schülerinnen und Schülern der Calwer Musikschule und einer Lesung zum Thema "Hesse und die Musik" umrahmten Festakt hielt, führte in seinem Einladungsbrief zum Anlass der Veranstaltung aus:

"Sehr geehrte Damen und Herren, auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts erfährt das Werk Hermann Hesses eine weltweit ungebrochene Aufmerksamkeit, und beim Blättern in diesen Schriften wird uns in diesen krisenbehafteten Tagen wieder verstärkt bewusst, wie aktuell es weiterhin ist.

Es ist das herausragende Verdienst von Dr. h.c. Volker Michels, dem sachkundigsten Hüter und Bewahrer dieses Werkes, nicht nur diesem Werk, sondern auch der Person Hermann Hesses stets neue Sichtweisen und Perspektiven abzugewinnen und damit die Rezeption zu Leben und Werk in besonderer Weise zu fördern. Davon zeugen die über 150 Einzelausgaben, die Volker Michels bisher als Herausgeber veröffentlichte, gipfelnd in der 20-bändigen Gesamtausgabe und der derzeit im Entstehen befindlichen 10-bändigen Briefkorrespondenz.

Untrennbar mit dem Werk Hermann Hesses ist seine Geburtsstadt Calw verbunden. Sein "Gerbersauer Erzählzyklus" gibt uns einen einmaligen Einblick in die Geschehnisse eines kleinbürgerlichen Schwarzwaldstädtchens um die Jahrhundertwende, wie wir dies bei keinem weiteren deutschsprachigen Schriftsteller vorfinden. Untrennbar mit der Hermann-Hesse-Stadt ist aber auch Volker Michels verbunden:

Als Träger der Hermann-Hesse-Medaille, als Präsidiumsmitglied und Beiratsvorsitzender der Internationalen Hermann-Hesse-Gesellschaft sowie als Kurator des Hermann-Hesse-Museums, das immerhin 30 Jahre Bestand hatte, prägt er in besonderer Weise die Vielfalt unserer Stadt."

Volker Michels antwortete beim Festakt mit folgender Danksagung auf die Laudatio: "Ganz herzlichen Dank, lieber Herr Kling, für Ihre bewegenden Grußworte und überhaupt auch für die Idee zu dieser Veranstaltung anlässlich der Rückgabe meiner Exponate für das 1989 von mir in erfreulicher Zusammenarbeit mit dem Designer Heiko Rogge eingerichtete Hermann Hesse-Museum.

Ich kann nicht verhehlen, dass ich noch nie mit so gemischten Gefühlen nach Calw gekommen bin, wie zu diesem Anlass. Denn so erfreulich der heute nachgetragene Rückblick auf die drei Jahrzehnte auch ist, in deren Verlauf unser Museum den Werdegang des Dichters, die wichtigsten Stationen seines Lebens und seiner dort entstandenen Werke mit ihrer weltweiten Wirkungsgeschichte illustrieren und – glaubt man den Befunden in den Gästebüchern – abertausende Besucher fesseln konnte, kann es doch nur ein Blick in die Vergangenheit sein mit der Hoffnung auf eine vergleichbare Zukunft.

Immerhin haben wir heute alles, was uns damals noch fehlte, die finanziellen Mittel, um die Dauerausstellung noch aufwändiger zu gestalten, während 1989 der Etat gerade einmal für die Gebäuderenovierung, die Elektrifizierung und Anfertigung der Vitrinen ausreichte, sodass ich die großen Bildtafeln an den Wänden aus Japan beschaffen musste, die dort für eine opulente Wanderausstellung hergestellt worden waren und von Tokio aus das ganz Inselreich über Hesse informiert hatten, der ja in Japan nach wie vor der meistgelesene deutschsprachige Schriftsteller ist.

Auch Hesses Sohn Heiner, mit dem ich über dreißig Jahre bis zu dessen Tod im Jahre 2003 zusammenarbeiten durfte, hat uns mit der Einrichtung des vom damaligen Bürgermeister Karl-Heinz Lehmann angeregten Museums mit Exponaten aus dem Besitz seines Vaters unterstützt.

In den folgenden drei Jahrzehnten bin ich dann immer wieder nach Calw gekommen, um mit den nachfolgenden Bürgermeistern, dem Kulturreferenten Dittus und dem besten Hesse-Kenner vor Ort, mit Herbert Schnierle-Lutz, über eine weitere Optimierung des Museums zu beraten, inhaltlich wie auch technisch, so z.B. über den Einbau eines Aufzuges, um älteren und behinderten Besuchern den Aufstieg über die historische Holztreppe hinauf in den 2. Stock nicht mehr zumuten zu müssen. Aber noch sprudelten damals die Mittel nicht so wie seit kurzem, seit Teile einer großzügigen Erbschaft, Zuwendungen des Bundes, des Landes Baden-Württemberg, der Wüstenrotstiftung und des Marbacher Literaturarchives aufwändigere Installationen ermöglichen.

2011 bekam Calw mit Ralf Eggert einen neuen Bürgermeister, an den ich mich lieber erinnern würde, wenn er nicht mit seinem 2016 über den „Schwarzwälder Boten“ verbreiteten Diktum „Das Hesse-Museum ist altbacken“ und der selbstherrlichen Entscheidung, es müsse auch inhaltlich verändert und umgekrempelt werden, die Kundigen empört und somit auch mich – leider ohne vorherige Rücksprache – vor vollendete Tatsachen gesetzt hätte. Nun können wir nur hoffen, dass die Personen und die Agentur, die nun schon seit 5 Jahren mit der Neugestaltung beauftragt sind, ihre Aufgabe, auch ohne die verschmähte Mitarbeit meinerseits, auf vergleichbar facettenreiche Weise lösen und auch den künftigen aus aller Welt anreisenden Besuchern ein Bild vermitteln werden, worin sie ihren Dichter nicht nur wiedererkennen, sondern auch sein zukunftsorientiertes Blickfeld und somit die Gründe seiner internationalen Wirkung nachvollziehen können. Die heute im Vergleich zu 1990 viel bessere Finanzierung ist dafür schon einmal ein gutes Vorzeichen. Doch mit einem üppigeren Etat allein wird es kaum getan sein.

Meine Beziehung zu Hermann Hesse und somit auch zum Ort seiner Herkunft ist alt. Schon ab meinem 15. Lebensjahr habe ich mit ihm korrespondiert und zehn Jahre später im Suhrkamp und Insel Verlag begonnen, sein Werk zu betreuen und den riesigen, damals noch fast unerschlossenen publizistischen und bildnerischen Nachlass in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Heiner zugänglich gemacht.

Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass ich seit 1970 fast alljährlich nach Calw in Ihre sich trotz aller Expansion zunehmend verschönernde Stadt gekommen bin, Stammgast im altehrwürdigen Steinhaus bei der Familie Schürle, den Nachkommen von Hesses Onkel Friedrich Gundert, bei der Cousine des Dichters Fanny Schiler, ihrer Tochter Marlis und dem gleichfalls unvergessenen Ehepaar Friedrich und Renate Bran, mit denen ich zu Beginn der 1980er-Jahre die damals zweijährlich vor mehr als 600 Besuchern stattfindenden Internationalen Hermann Hesse-Kolloquien ins Leben gerufen habe. Inzwischen, nach dem Tod dieser unermüdlichen Tagungsorganisatoren vor Ort ist der Publikumsmagnet der Calwer Kolloquien leider etwas eingeschlafen bzw. mit geringerem Zulauf auch auf Hesses spätere Wohnsitze Gaienhofen und Montagnola verlagert worden, sodass sie in Calw nur noch alle 6 Jahre stattfinden können.

Dankbar erwähnen möchte ich bei dieser Gelegenheit auch die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit Jürgen Sautter, dem Vertreter der Kreissparkasse und Initiator und Betreiber des Hermann Hesse-Portals im Internet, dank dessen Einsatz ich auch das umfassende Archiv des Hesse-Forschers und langjährigen Kolloquiumsleiters Dr. Martin Pfeifer nach Calw vermitteln konnte. (...)"

Zitat der Woche

„Oft ist die Welt schlecht gescholten worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen oder zu viel gegessen hatte.“

Aus Hermann Hesses Essay „Zarathustras Wiederkehr“, 1919