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Ein Hauch von "Buddenbrooks" am Calwer Marktplatz

Meldung vom 12.07.2022

Am Freitag, den 15. Juli, wird beim "Gerbersauer Lesesommer" um 19.30 Uhr im Foyer der Sparkasse in Calw eine Erzählung Hermann Hesses gelesen, die in manchem wie eine kleinstädtische Version des Schicksals der patrizischen Lübecker Kaufmannsfamilie wirkt, die Thomas Mann in seinem berühmten, 1901 erschienenen Roman „Buddenbrooks. Verfall einer Familie“ beschrieb. Es gibt im Roman und in der Erzählung deutliche Parallelen: Die Familienoberhäupter sterben früh, als die einzigen Söhne noch zu jung sind, um die Nachfolge anzutreten. Zudem haben diese durch die Mitgift ihrer Mütter mehr geistig-musische Interessen als kaufmännische. Und so sind jeweils die Grundlagen für den Niedergang der Kaufmannsdynastien gelegt. Hermann Hesse hat seine Erzählung „Walter Kömpff“ sechs Jahre nach den „Buddenbrooks“ geschrieben. Und er hat den zwei Jahre älteren Thomas Mann, der wie er beim S. Fischer Verlag veröffentlichte und später zu einem Freund wurde, zu diesem Zeitpunkt bereits persönlich gekannt. Aber trotz aller Ähnlichkeiten kann Hesses Erzählung nicht als Nachahmung von Manns Roman gesehen werden. Die Erzählung ist durch und durch eine Calwer Geschichte, und die Ähnlichkeiten rühren daher, dass das hier erzählte Schicksal in jener Zeit ein häufiges in diesen alteingesessenen Kaufmannsfamilien war, sowohl in Lübeck als auch Calw als auch anderswo. Hermann Hesse hat das Geschehen, das er in der Erzählung verarbeitet hat, bereits als Kind in Calw miterlebt. In seinen ersten vier Lebensjahren, 1877-1881, wohnte er mit den Eltern und Geschwistern am Marktplatz in dem Haus des Kaufmanns Emil Dreiß. Dieser starb 1880 im Alter von 50 Jahren, als sein ältester Sohn erst 14 Jahre alt war und dadurch das Ende dieser Kaufmannsdynastie begann, indem wenige Jahre später das Geschäft in andere Hände übergeben werden musste. In seiner Erzählung hat Hesse das Allgemeine solcher Familienschicksale, aber auch das sehr Calwerische an diesem speziellen Schicksal dichterisch herausgearbeitet und so einer Reflexion zugeführt.

Gelesen wird die berührende Geschichte am 15. Juli von Ulrike Goetz und Rudolf Guckelsberger; die musikalische Umrahmung gestalten Rainer Hill (Violine) und David Raiser (Violoncello). Karten gibt es an der Abendkasse und im Vorverkauf bei der Touristinformation Calw (Tel. 07051-167-399) oder bei www.reservix.de.

Zitat der Woche

„Oft ist die Welt schlecht gescholten worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen oder zu viel gegessen hatte.“

Aus Hermann Hesses Essay „Zarathustras Wiederkehr“, 1919