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Frohe Weihnachten und ein schönes, friedliches neues Jahr!

Meldung vom 18.12.2023

Aquarellierte Zeichnung von Hermann Hesse

Das Hermann-Hesse-Portal wünscht all seinen Nutzerinnen und Nutzern schöne Feiertage und einen guten Rutsch in das neue Jahr. Auch in diesem werden wir uns bemühen, Sie mit interessanten Nachrichten rund um Hermann Hesse und sein Werk zu bedienen.

Als kleine Weihnachtsgabe drucken wir im Folgenden einen Weihnachtsbrief ab, den Hermann Hesse vor 70 Jahren an seine Zürcher Freunde und Mäzene Elsy und Hans Conrad Bodmer geschrieben hat. Er veranschaulicht, wie bei Hesse, der dem Weihnachtstrubel immer etwas reserviert gegenüberstand, Weihnachten begangen wurde.

Der Brief ist dem in diesem Jahr von Volker Michels herausgegebenen 8. Band der großen Briefausgabe entnommen: Hermann Hesse: Die Briefe 1951-1957, Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, 727 Seiten, ISBN 978-3-518-43113-9, S. 257.

*Montagnola, 25.12.1953

Liebe Freunde

Gestern haben wir unsre Weihnacht gefeiert, mit unserem Gast Frau Anni Carlsson (einer mit Hesse befreundeten Publizistin, welche 1947 die Hesse-Biographie von Hugo Ball fortsetzte). Jetzt ist es Vormittag und bald werden unsre Mittagsgäste kommen, die Tochter von Emmy Ball mit zwei großen Kindern, sie bekommen eine Gans und ein Glas Girsberger 47er vorgesetzt, und da wird, ebenso wie gestern abend, Ihrer in Freundschaft und Dankbarkeit gedacht werden. Von Herzen danke ich für Ihre guten, lieben Gaben, für den guten Wein und für die entzückende Überraschung mit dem anonymen Büchlein von Jacob Burckhardt („Ferien“. Eine Herbstgabe, Basel 1849). Auch Frau Carlsson hat es mit Andacht bewundert.

Gestern abend kam noch ein Bote, der brachte Nelken aus einer Blumenhandlung und dazu den Brief der Spenderin, einer unbekannten Leserin aus München. Wir lasen ihn heute und erfuhren unter andrem daraus folgende groteske Geschichte: Sie war in erster, unglücklicher Ehe mit einem Dozenten der Philosophie verheiratet. Mit ihm kam sie als ganz junge Frau im Jahr 1922 nach Lugano, und erfuhr, dass der Dichter H. in der Nähe wohne. Sie bat ihren Mann, mit ihr nach Montagnola zu gehen. Das tat er auch, aber dann erklärte er ihr, er müsse den Besuch beim Dichter natürlich alleine machen, man könne ihm nicht zumuten, eine junge Frau zu empfangen. Und dann saß also der dumme Philosoph eine halbe Stunde bei mir und schwatzte kluge Reden, während die arme Frau mit bitteren Gefühlen draußen warten mußte. – Solche Professoren gibt’s auch heute noch viele. – Aber nun muß ich den Wein heraufholen und allerlei für die Gäste richten.

Seien Sie in alter und immer neuer Freundschaft und Dankbarkeit gegrüßt von Ihrem

H. Hesse*

Zitat der Woche

„Der Kleinere sieht am Größeren das, was er eben zu sehen vermag.“

Aus Hermann Hesses Roman „Das Glasperlenspiel“, 1943