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Gaienhofener Hesse-Tage 2014 überzeugen mit Vielfalt der Beiträge

Meldung vom 29.09.2014

Die traditionellen Hesse-Tage in Gaienhofen setzten sich auch in diesem Jahr aus musikalisch-literarischen Veranstaltungen, Lesungen, Führungen und Vorträgen zusammen. Neu war diesmal aus gegebenem Anlass eine Präsentation von Studenten. Im Hermann-Hesse-Höri Museum wird die Ausstellung zu Hermann Hesse umgestaltet. Einen hierfür ausgeschriebenen Wettbewerb haben fünf Studenten des Studiengangs für Architektur und Kommunikationsdesign an der Konstanzer Hoch-schule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung gewonnen. Zwei dieser Studenten, Sandrine Mause und Alfonso Patermo stellten ihren Siegerentwurf dem Publikum der Hesse-Tage am Donnerstag vor.   Aufgabe war es, neun Räume in dem Haus, in dem sich Hermann Hesse 1904 ein-mietete, neu zu gestalten. Anhand der Biografie Hesses machten sich die Studenten an die Umsetzung. Der vorgestellte Siegerentwurf kommt verjüngend und vielver-sprechend daher. Dr. Ute Hübner, Leiterin des Museums, betonte so auch, dass die Konzeption in der Arbeit mit einer Generation entstand, die das Museum zukünftig besuchen solle. Die kreativen Jungen haben ihren Part erfüllt, aber auch die Ge-meinde: Die „Finanzierung von fast einer viertel Million Euro steht“, versicherte Bürgermeister Uwe Eisch. Die Arbeiten zur Neugestaltung sollen im Oktober beginnen und im Mai 2015 abgeschlossen sein.   Danach setzte sich das Programm der Hesse-Tage in dem bewährten Konzept fort. Zunächst las Siemen Rühaak unter dem Titel „Und dennoch hofft mein Herz“ Lyrik und Prosa von Hesse. Mit großer Intensität trug der Schauspieler autobiografische Texte vor und sparte in einigen Prosastücken und Gedichten auch den erotischen Hesse nicht aus. Mit der Tambura, einem indischen Saiteninstrument, unterstütze Rühaak, zum Gefallen des Publikums, die Passagen.   Auch Vera Bauer verband in ihrem Programm Musik und Dichtung. Mit der ironischen Selbstschilderung Hesses, dem Kurzgefassten Lebenslauf, setzte sie den biografischen Rahmen des Programms und, ergänzend zu Gedichten, Briefen und einem Romanausschnitt, spielte sie virtuos das Cello. Während Rühaaks Beitrag eher temperamentvoll ausfiel, gestaltete Vera Bauer ihren Auftritt ruhig und be-sinnlich und konnte Sprache und Musik perfekt vereinen.   Großen Beifall erhielten auch für ihre szenische Lesung von Hesse-Briefen die Sprecher und Schauspieler Graziella Rossi, Rudolf Guckelsberger und Helmut Vogel. Unter dem Titel „Mein lieber Sohn!“ lasen sie Briefe von Hesse an seine Söhne und umgekehrt Briefe der Söhne an ihren Vater. Hesses Enkel Silver hat diese Collage mit 40 Briefen zusammengestellt. Zwei Jahre arbeitete er daran, diese Lesung aus insgesamt 3000 vorhanden Schriftstücken auf die 40 wichtigsten zu reduzieren. Herausgekommen sei, so Silver Hesse, das Bild eines „um seine Söhne stets be-sorgten Vaters“, dessen väterliche Fürsorge und Anteilnahme sowie Hilfe beim schulischen und beruflichen Werdegang stets vorhanden gewesen sei. Die Schau-spieler auf der Bühne setzten diese Auswahl in ihrer Lesung beindruckend intensiv, anschaulich und glaubwürdig um. Die Sprachkunst der Protagonisten verlieh den Briefen zusätzliche Authentizität. Die Protagonisten auf der Bühne vermittelten genau das Bild von Hermann Hesse, das sein Enkel im Vorhinein beschrieben hatte.   Informativ und lebhaft war eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Die Sicht auf die Natur. Hermann Hesse als Anregung“. Die Veranstaltung des Hermann-Hesse-Hauses beleuchtete Hesses Liebe zur Natur und zur Arbeit im Garten. Moderatorin Eva Eberwein hatte den Hesse-Experten und Publizisten Herbert Schnierle-Lutz aus Calw eingeladen, sowie Eberhard Koch, BUND-Kreisvorsitzender. Schnierle-Lutz erläuterte anhand von Hesses Biografie seine Beziehung zum Garten. Schon in Calw, dann in Gaienhofen, Bern und Montagnola habe Hesse die Gartenarbeit genutzt, um sich den Kreislauf allen Lebens zu veranschaulichen, erläuterte er. Die Gestaltung und den nachhaltigen Wert der historischen Gärten bekannter Künstler erklärte die Eva Eberwein anhand von Lichtbildern dem sehr aufmerksamen Publikum.   Die traditionell vielseitige Konzeption der Hesse-Tage hatte natürlich auch für eher literaturwissenschaftlich interessierte Besucher Beiträge vorgesehen. So hielt der Schriftsteller Michael Kleeberg unter dem Titel “Sprachkunst zwischen Proust und Jung. Hermann Hesses Kinderseele“ einen philologischen Vortrag. Kleeberg brachte eine inhaltliche und vor allem sprachliche Analyse dieser Erzählung. Als „Sprach-musiker“ bezeichnete er Hesse und er setzte ihn auf eine Stufe mit Marcel Proust. Hesse sei Proust ebenbürtig und verwandt, beide seien „Meister der jugendlichen Psychologie“ konstatierte Kleeberg. Nur einen kleinen Unterschied konnte der Autor feststellen, während Hesse durch die Psychoanalyse zur Kindheit zurückgefunden habe, habe Proust sie nie verlassen.   Hesse-Herausgeber Volker Michels, von Beginn der Gaienhofener Hesse-Tage als Vortragender dabei, machte diesmal die Briefe aus den Jahren 1904 bis 1915 zu seinem Thema, was auch die Aktualität der Veranstaltung selber berührte. In diese Zeit fallen ja Hesses Gaienhofener Jahre, während derer er sich als Schriftsteller etablieren konnte und, so Michels, das Interesse und „die Begehrlichkeiten“ von Autorenkollegen und Verlegern weckte. Dabei zitierte er Hesse, der 1904 durch Peter Camenzind sehr schnell zu literarischem Ruhm gelangte auch mit durchaus provo-kativen Briefstellen. So schrieb Hesse nach seinem explosiven Erfolg. “Man spielt eine Todesmelodie und wird beklatscht als wär´s ein netter Walzer“. Hesse, der sich mit seinen literarischen Figuren immer wandelte, konnte die Erwartungen der Leser nicht nachvollziehen. Die vielen Anfragen von Verlegern, unter ihnen Samuel Fischer, für neue Projekte, förderte das Selbstbewusstsein des jungen Autors. Und so zitierte Michels eine weitere Briefstelle, in der Hesse seinem Unmut unverblümt Ausdruck verleiht: „Das Begehen geschäftlicher Fehler fällt mir selbst so leicht, dass ich dafür nicht extra einen Verleger brauche.“ Volker Michels traf mit seiner Zitatauswahl und subtilem Humor erneut den Geschmack des Publikums und erhielt für seinen Beitrag viel Beifall.   Text: Elke Minkus für den „Südkurier“ in Konstanz   Foto: Volker Michels bei seinem Vortrag im Gaienhofener Bürgerhaus in Anwesenheit der Hesse-Enkel Sybille, Silver und Simon. Foto. Herbert Schnierle-Lutz

Zitat der Woche

„Aus den eifrigsten Jungen werden die besten Alten und nicht aus denen, die schon in der Jugend wie Großväter tun.“

Aus Hesses Roman „Gertrud“, 1910