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Hermann Hesse, Udo Lindenberg und die Panik

Meldung vom 02.08.2010

Beim „Hermann-Hesse-Festival“ der Udo-Lindenberg-Stiftung wird der Panik-Preis an Nachwuchs-Rockbands verliehen, wie gerade am 24. Juli in Tübingen wieder geschehen. Dies sorgt ab und an für Irritationen, da die Verbindung zwischen Hesse, Lindenberg und Pan bzw. Panik nicht jeder/jedem ersichtlich scheint. Deshalb hier ein kleiner Versuch der Ausleuchtung dieser Beziehung: Sowohl Hermann Hesse als auch Udo Lindenberg sind dem altgriechischen Hirtengott Pan zugetan. Hermann Hesse hat in seinem autobiografischen Märchen „Kindheit des Zauberers“ gleich zu Beginn bekannt: „Nicht von Eltern und Lehrern allein wurde ich erzogen, sondern auch von höheren, verborgeneren und geheimnisvolleren Mächten, unter ihnen war auch der Gott Pan ...“ Udo Lindenberg seinerseits hat nach der von Pan mitunter ausgelösten „Panik“ seine Band benannt: das Panik-Orchester, und sein Lebensmotto abgeleitet: „Keine Panik“. Was hat es nun mit Pan und seiner Panik auf sich? – Als Vater des Pan werden in der Sagenüberlieferung wahlweise der oberste Gott Zeus oder sein Götterbote Hermes genannt. Die Mutter war eine der Nymphen, die den Göttern als Gespielinnen dienten, wobei Dyrops, Kallisto oder Hybris zur Auswahl stehen. Pan wurde als bärtiger Faun mit Bocksfüßen und Hörnern geboren, was seiner Mutter schon mal einen ersten panischen Schrecken bereitete. Er entwickelte sich aber zu einem munteren Kerlchen, der (gleich Hermann Hesse und Udo Lindenberg) Freude an Musik hatte und die Pan-Flöte entwickelte aus einem Schilfrohr, in das sich die Nymphe Syrinx verwandelte, als Pan sie liebestrunken verfolgte. Pan hatte also auch Freude an schönen Nymphen – eine Leidenschaft, die bei Udo Lindenberg ebenfalls in keiner Weise bestritten werden kann und bei Hermann Hesse nicht gänzlich (siehe z.B. seine Liebschaft mit der jungen, schönen Ruth Wenger). Eins freilich konnte Pan gar nicht leiden: wenn er schon um die Mittagszeit durch Lärm aufgestört wurde. Da konnte er dann schon einmal mit Zorn unter lärmende Hirten und ihre Herden hineinspringen und den sprichwörtlichen „panischen“ Schrecken verbreiten. Solche Aufwallungen bereits um die Mittagszeit sind Udo Lindenberg zwar nicht zuzutrauen, aber um diese Zeit gestört zu werden, ist ihm, der „Nachtigall“ und deshalb bekennender Spätaufsteher ist, ebenfalls ein Gräuel. Hermann Hesse seinerseits war dagegen ein tapferer Frühaufsteher und hatte um die Mittagszeit bereits einen Großteil seines Tagewerks erledigt. Dann legte er sich aber gern zu einem Mittagsschläfchen hin, bei dem er sich auch nicht gern stören ließ. Das Heft des Handeln zu behalten und die Ruhe zu bewahren, war bzw. ist allen drei gleich wichtig: Pan, Hermann Hesse und Udo Lindenberg. Also: Keine Panik, ihre inneren Verwandtschaften sind unverkennbar. Text: Herbert Schnierle-Lutz

Zitat der Woche

„Oft ist die Welt schlecht gescholten worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen oder zu viel gegessen hatte.“

Aus Hermann Hesses Essay „Zarathustras Wiederkehr“, 1919