Hermann Hesse und Olaf Gulbransson
Meldung vom 06.04.2013


Von 28. April bis 7. Juli 2013 werden im Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee Aquarelle von Hermann Hesse ausgestellt (wir berichteten). Hesse war in seinen Gaienhofener Jahren (1904 bis 1912) gut befreundet mit dem 1873 in Oslo geborenen Karikaturisten, Zeichner und Maler Gulbransson, der 1958 am Tegernsee starb.
Die Freundschaft zwischen den beiden begann während ihrer gemeinsamen Mitarbeit an der satirischen Zeitschrift "Simplicissimus". Hesse fuhr damals öfters von Gaienhofen nach München, wo Redaktionen von Zeitschriften ansässig waren, für die er als Rezensent arbeitete, darunter auch die des "Simplicissimus", dem Gulbransson mit seinen Karikaturen das unverwechselbare Gesicht gab. Nach den Redaktionssitzungen verzechte man manche Münchner Nacht in jener Zeit gemeinsam.
1907 besuchte Gulbransson Hesse am Bodensee in Gaienhofen. Es gibt von diesem Besuch ein Foto, das die beiden gemeinsam bei einem Ausflug in Hesses Ruderboot zeigt. (Zu finden in "Hesse: Sein Leben in Bildern und Texten" als auch dem 2012 vom Deutschen Literaturarchiv Marbach veröffentlichten MarbacherMagazin-Reprint von Hesse Fotoalbum 1903 bis 1916).
Auf der Rückfahrt von Gaienhofen nach München, die im Auto des automobilbegeisterten "Simplicissimus"-Verlegers Albert Langen vonstatten ging, fuhr Hermann Hesse mit und erlebte dabei seine erste längere Autofahrt.
Auch andere Freizeitaktivitäten unternahm man damals gemeinsam. 1960 berichtet Hesse im Rückblick in einem Brief darüber: "Mein erstes Paar Ski, etwa 1909, besorgte mir Freund Olaf Gulbransson in München. Es war aus Eschenholz und hielt bis etwa 1928, da brach mir ein Ski und ich kaufte in St. Moritz neue aus Hikory." (Gesammelte Briefe, Band 4, S. 360).
Vermutlich hat Hesse von Gulbransson auch die aus Norwegen stammende Telemark-Skitechnik gezeigt bekommen, die Thomas Manns jüngste Tochter Elisabeth 1931 als Zwölfjährige bei einem gemeinsamen Winterurlaub in St. Moritz bewundernd beobachtete: "Ich war etwas skeptisch, als Herr Hesse mir vorschlug, zusammen zum Skifahren auf die Corviglia zu gehen. ... Wenn er ein großer Schriftsteller ist, wie meine Mutter mir erklärt hatte, kann er nicht gut Ski fahren, dachte ich. Denn mein Vater, von dem ich auch wusste, dass er ein großer Schriftsteller war, konnte es absolut nicht. ... Wenn ich mir nun vorstellte, mit Hermann Hesse müsste es ähnlich gehen, hatte ich mich gründlich getäuscht. Ich sehe ihn noch vor mir, seine magere Figur in seinem dunkelblauen Skianzug mit den norwegischen Wickelgamaschen auf seinen sehr langen Skiern, wie er in eleganten Telemark-Serpentinen durch den frischen Tiefschnee die steilen Hänge hinunterglitt." (Erinnerung von Elisabeth Mann-Borgese an Hermann Hesse in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 2. April 2002).
1923 karikierte Gulbransson Hermann Hesse für das "Große Bestiarium" des österreichischen Schriftsteller Franz Blei, in welchem dieser bekannte Schriftsteller mit zoologischen Charakterisierungen satirisch porträtierte. Hesse wurde dabei als "Die Hesse", eine Waldtaube, dargestellt, über die es heißt: "Die Hesse. So wird eine liebliche Waldtaube genannt, die man aber wild nicht mehr antrifft. Ihrer Zierlichkeit wegen wurde sie ein beliebter Käfigvogel, der den Beschauer damit ergetzt, daß er im Käfig immer noch Gebärden tut, als wäre er im freien Walde. Er verschafft dadurch dem ihn haltenden Stadtbewohner die Sensation der Natur, und solches wird erhöht von ganz kleinen Drüsen unserer Hesse, aus denen sie einen Geruch absondert, der leise an Tannenduft erinnert."
Hermann Hesse nahm's amüsiert zur Kenntnis. Spätere Kontakte zwischen Gulbransson und Hesse lassen sich nicht nachweisen. Solchermaßen endete ihre Verbindung, wie sie zwanzig Jahre zuvor begonnen hatte: mit Humor.
Text: Herbert Schnierle-Lutz