• Change Language:
  • English version is coming soon.

Hesse-Stipendiat gab Einblicke in sein Leben

Meldung vom 10.11.2010

Seinen Hang zur Lyrik entdeckte Michael Wüstefeld bei einer Faltbootfahrt auf der Elbe kurz nach dem Abitur. Doch bevor er sein Geld mit der Schriftstellerei verdiente, durchlief er eine „DDR-typische Ausbildung“ und studierte Landmaschinentechnik. Diese und andere Einblicke in sein Leben gab der 39. Calwer Hesse-Stipendiat Michael Wüstefeld am Sonntag im Haus Schüz. Seit Anfang Oktober wohnt Michael Wüstefeld im Geburtshaus Hermann Hesses. Und er hat etwas mit dem berühmtesten aller Calwer gemeinsam: Er ist Schriftsteller und Lyriker. Sich an seine literarischen Anfänge erinnernd, schilderte er: „Ich war in meinem Betrieb Mitglied im Zirkel schreibender Arbeiter. Das hieß wirklich so.“ Es folgte ein Platz in der Nachwuchsgruppe des Schriftstellerverbandes. Die Förderung wurde im allerdings wieder entzogen, als er die Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 nicht befürwortete. 1988 wurde er unerwartet von einer Stiftung, die sich um Autoren aus dem ehemaligen Ostblock kümmerte, zu einem vierwöchigen Aufenthalt in Paris eingeladen. Überraschenderweise bekam er die Genehmigung zur Fahrt vom DDR-Regime. Er wisse bis heute nicht, warum, er könne nur spekulieren. „Die DDR war damals schon sehr müde. Das reichte bis in die Behörden und Ämter. Zehn Jahre zuvor hätte niemand gefackelt, Nein zu sagen.“ Eine weitere Paris-Reise folgte 1995. Aus den Erinnerungen entstand Wüstefelds Buch „Paris geschenkt“. Er las Auszüge, die einerseits Gelächter hervorriefen, andererseits nachdenkliche Gesichter zurückließen. Und weil er sich eigentlich als Lyriker und weniger als Prosa-Autor versteht, beendete er die Veranstaltung mit zwei seiner Gedichte. Seine Zeit in Calw nutzt Michael Wüstefeld zum Schreiben und für Ausflüge in die Umgebung. Einmal am Tag geht er über die Nikolausbrücke und sagt der Statue von Hermann Hesse guten Tag. „Ich bleibe eine Weile dort stehen und halte Ausschau nach Wasseramseln.“ Wulf Kirsten, der 1995 als Stipendiat in Calw war, hatte über die Vögel geschrieben. Bisher konnte Wüstefeld aber noch keine sichten. Bleibende Erinnerungen sammelte der Schriftsteller in Calw bislang einige. Beispiele seien der Fluss in Flammen, ein Besuch bei Hesses Nichte Marie Luise Bodamer und eine der letzten Gruselführungen mit Nachtwächter Thomas Reininger. „Außerdem habe ich miterlebt, wie jemand auf dem Wochenmarkt für über 50 Euro Käse gekauft hat“, fügt er schmunzelnd hinzu.

Zitat der Woche

„Oft ist die Welt schlecht gescholten worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen oder zu viel gegessen hatte.“

Aus Hermann Hesses Essay „Zarathustras Wiederkehr“, 1919