• Change Language:
  • English version is coming soon.

Hesse-Stipendiatin Lange-Müller fühlt sich in Calw wohl

Meldung vom 07.08.2009

Und die Wahl-Berlinerin fühlt sich in Calw erkennbar und erklärtermaßen wohl. „Hotel, Veranstaltungsort Bahnhof“ in der Regel das Einzige, was sie auf Lesereisen zu sehen bekomme. Bis Monatsende ist die hoch dekorierte Autorin noch Gast der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung, getragen von Sparkasse und SüdwestRundfunk.   Hesse hat Katja Lange-Müller, wie sie im Gespräch mit Herbert Schnierle-Lutz sagte, „schon früh gelesen, wer hat das nicht.“ Gedichte seien ihr dabei die wirkliche Quelle gewesen; Wortfindung und Sprache hätten sie fasziniert. Nicht aber Wohl Hesses Stimme, die sie im Hesse-Museum vom Tonträger beim Gedichtvortrag hörte. „Lies ihn lieber wieder still für dich“, habe sie beschlossen, denn „es wirkt selbstverständlicher wenn man es liest, als in dieser bedeutungsschwangeren Aussprache.“   Nicht Dichterin, sondern Biologin habe sie ursprünglich werden wollen. Der Schulverweis mit 16 wegen „unsozialistischen Verhaltens“ habe diese Planung jedoch zunichte gemacht. Deshalb müsse sie „jetzt halt mit dem Pilzmesser durch den Wald ziehen“, formulierte die Autorin in Anspielung auf ihre im Stadtwald gelebte Passion gewohnt ironisch.   Auch bei ihr sei das schriftstellerische Material die eigene Biografie, antwortete die Ingeborg-Bachmann- und Döblin-Preisträgerin auf eine Frage des Moderators. Und „für meine Art, die Dinge anzuschauen, war die Arbeit in den Psychiatrie wichtiger als bei der Zeitung“ als Layouterin. Ohnehin habe Sie in ihrem ganzen Leben keinen „einfachen“ Menschen getroffen. Habe erfahren, dass „das Disharmonische, Widersprüchliche, Komplizierte“ zu jedem Menschen gehört: „Es gibt auch depressive Bäuerinnen.“   „Die Enten, die Frauen und die Wahrheit“ – „das möchte ich so ein bisschen Hermann Hesse zu Füßen legen“, ist ein 2003 erschienener Erzählungen band betitelt. Daraus trug Katja Müller-Lange die höchst amüsante Parabel über die Erschaffung der Katze vor. „Auf Gottes mächtiger, lehmbeschmierter Töpferscheibe“ nimmt der Stubentiger Gestalt an und entwickelt schnell höchst eigenwillige und den Schöpfer erzürnende Wünsche. Die Erzählung sei aus ihrer Sicht generell näher an der Poesie als der Roman, bekennt die Hesse-Stipendiatin, denn „je weniger Wörter, desto wichtiger das einzelne.“   „Böse Schafe“ erschien 2007 gleichwohl als Roman, weil der Verlag das letzte Buch „einer Art Trilogie“ in diese Gattung einordnete. Stets diente darin die Geburtstadt Berlin als Folie, vor der sich eine ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Ost-Setzerin und West-Junkie aus Bayern entwickelt. „Ich betrachtete die über den Spiegel sichtbaren Teile meiner Person“, schildert darin die Hauptpersonen die Auseinandersetzung mit ihrer Erscheinung.   In einer Rezension seien die Protagonisten Soja und Harry „Unterschichtler“ genannt worden, amüsiert sich Frau Lange-Müller, „da denkt man doch eher an den Bergbau.“ Teilung und Wiedervereinigung sind naturgemäß Themen, um die das Werk der begnadeten Satirikerin kreist. „Auch wenn man eine Geschichte schreibt, kann man die ‚Geschichte’ nicht ganz ausblenden“, erklärt sie.

Zitat der Woche

„Der Reiche könnte wohl, aber er kann nicht.“

Aus Hermann Hesses Betrachtung „Kleine Freuden“, 1899