Hesses Briefausgabe – eine unerschöpfliche Quelle zum Leben und zur Zeitgeschichte
Meldung vom 16.10.2025


Die neun umfangreichen Bände, in denen Volker Michels die wichtigsten Briefe Hermann Hesses herausgegeben hat, erweisen sich als unerschöpfliche Quelle zum Leben und zur Zeitgeschichte.
Die Bände lassen sich hervorragend als Chronik benutzen, und es ist dabei zum Beispiel zum heutigen Tag, dem 16. Oktober, aus dem Band der die Jahre 1951 bis 1957 umfasst, zu erfahren, dass Hesse vor genau 70 Jahren, also am 16. Oktober 1955, einen Brief an den damaligen deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss geschrieben und sich für dessen Rolle bei der Verleihung des „Friedenspreises des deutschen Buchhandels“ sechs Tage zuvor bedankt hat.
In der Fußnote zum Brief wird dazu erläutert – was für die sorgfältige Edition der Bände kennzeichnend ist: „Am 9. 10. 1955 wurde Hesse in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen. In Vertretung ihres Mannes reiste Ninon Hesse nach Frankfurt und las dort Hermann Hesses ‚Dankadresse zur Friedenspreisverleihung‘ (SW 14, S. 492 ff).
Wie ebenfalls aus dem Briefband zu erfahren ist, hatte Hermann Hesse bereits am 2. Juli 1955 im Rahmen eines Briefwechsels mit Thomas Mann, in dem es u.a. um die Belastungen durch Preisverleihungen ging, diesen informiert: „Aber für den Herbst, wo es eine Feier in Frankfurt geben soll, haben wir einen Ausweg gefunden: meine Frau wird hinfahren und mich vertreten. (…) Vorher muß ich leider noch manche Sitzung beim Augenarzt absolvieren.“
Der Brief, den Hesse nach der Preisverleihung an Theodor Heuss schrieb, lautet folgendermaßen:
Montagnola, 16. 10. 1955
„Lieber und verehrter Herr Dr. Heuss,
kaum weiß ich wohin mit allen den glühenden Kohlen, die Sie auf mein Haupt gehäuft haben. Daß Sie zu der Feier nach Frankfurt kamen, daß Sie meiner Frau und Stellvertreterin das ehrwürdige Schmuckstück mitbrachten und in so schöner Art überreichten, und daß Sie den ganzen Tag über sich meiner Frau so lieb angenommen haben, davon hätten Sie sie erzählen hören sollen, dann wüßten Sie auch ohne dies Briefchen, wie glücklich Sie meine Frau damit gemacht und in wie herzlichem Gedenken an Sie wir in all diesen Tagen die Frankfurter Erlebnisse und Vorgänge reproduziert haben. Während Sie an jenem Sonntag in der Paulskirche saßen, habe ich in Montagnola bei schönster Herbstsonne ein gutes Quantum Nüsse aufgelesen und dabei ein Feuer aus Kastanienschalen brennen gehabt. Aber am Abend habe ich dann (was morgens aus technischen Gründen nicht ging) am Radio den Festbericht samt den drei Reden angehört. Von Herzen sage ich Ihnen Dank!
Mit guten Wünschen Ihr H. Hesse“
Die Hesse-Briefbände sind auf diese Weise eine unerschöpfliche biografische Fundgrube und eine reiche Zeit-Chronik. Durch ihre wertige Ausstattung mit jeweils über 600 oder gar 700 Seiten kosten die Bände ihren Preis, der sich aber lohnt und ein ‚Muss‘ für jede Hesse-Bibliothek ist. Die bereits vorhanden neun Bände werden 2026 noch durch einen Abschlussband ergänzt werden, der nachträglich aufgefundene Briefe, Material aus dem Nachlass und Erläuterungen enthalten wird. (HSL)