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Hesses Briefwechsel mit Anny Bodmer als Buch

Meldung vom 15.01.2014

Igel Verlag

Zwischen 1919 und dem Ende der 20er-Jahre befand sich Hermann Hesse in seiner schwersten Lebenskrise. Und zugleich war es seine kreativste Schaffensphase. Hauptwerke wie der Roman »Der Steppenwolf« sowie die Erzählungen »Siddhartha«, »Klingsors letzter Sommer« und »Narziß und Goldmund« entstanden in dieser Zeit.

Der spätere Literaturnobelpreisträger litt damals unter zunehmenden gesundheitlichen Problemen und psychischen Belastungen, die das Scheitern seines Ehe- und Familienlebens mit sich brachten. Just in dieser Zeit kam es zur Freundschaft mit Anny Bodmer, einer 1882 in Basel geborene Malerin. Durch ihren Mann Harry Bodmer, der in Locarno eine Chefarztstelle antrat, kam die Künstlerin 1919 ins Tessin. Dort lebte auch Hesse in seiner »Villa Camuzzi«.

Die Freundschaft zwischen dem Ehepaar Bodmer und Hesse war begleitet von einer umfassenden Korrespondenz. Bei der Künstlerin fand der Schriftsteller nicht nur Verständnis für seine zunehmenden persönlichen Probleme, Anny Bodmer half ihm auch bei alltäglichen Dingen wie Umzugsformalien oder Unterbringung seiner Kinder.

Der Briefwechsel ist im Deutschen Literaturarchiv Marbach und in der Universitätsbibliothek Basel nahezu komplett vorhanden. Schon dieser Umstand hat Jürgen Below dazu bewogen, die Korrespondenz als Buch herauszugeben und mit einem Kommentar, biografischen Erläuterungen sowie farbigen Abbildungen zu versehen. Ganz besonders die persönlichen Dinge, über die sich die Briefpartner austauschten, waren es, die für den Hesse-Kenner besonders reizvoll sind.

Below, Jahrgang 1934, der in Lehrte bei Hannover lebt, hat sich schon mit einer fünfbändigen Hesse-Bibliographie zum Sekundärschrifttum (2007) und dem Hermann-Hesse-Handbuch mit Quellentexten zu Leben, Werk und Wirkung (2012) einen Namen gemacht. Insofern unterscheide sich der Briefwechsel mit den Bodmers von der Korrespondenz, die Hesse mit bekannten Schriftsteller-Kollegen wie Thomas Mann und Stefan Zweig geführt hat, sagt Below im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Briefe seien ihm schon bei seiner Arbeit am Hesse-Handbuch aufgefallen. In diese Publikation habe er immer wieder kleine Einschübe aus den Briefen verwendet, erzählt der Literaturexperte.

Anny Bodmer, deren physische und psychische Leiden im Laufe der Jahre zunahmen, starb 1930. Das war damals für die Kunstgesellschaft Locarno Anlass für eine einmonatige Gedächtnisausstellung. In ihrer Kunst habe sich ihre angeborene Heiterkeit mit den Schatten ihrer immer wieder kehrenden Depressionen zu einem »sanften Zauber« vereint, hatte Hesse zu diesem Anlass gesagt.

Das Buchprojekt wurde von der Stadt Calw, der Internationalen Hermann-Hesse-Gesellschaft und dem Hermann-Hesse-Museum gefördert. Es ist im Buchhandel sowie im Museums-Shop erhältlich.

Hermann Hesse: »Sonne und Mond seien freundlich zu Ihnen, liebe Freundin.« Der Briefwechsel mit Anny und Hermann Bodmer. Herausgegeben von Jürgen Below. Igel Verlag, 296 Seiten, 24,90 Euro.

Alfred Verstl/Schwarzwälder Bote

Zitat der Woche

„Oft ist die Welt schlecht gescholten worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen oder zu viel gegessen hatte.“

Aus Hermann Hesses Essay „Zarathustras Wiederkehr“, 1919