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Landesstheater Tübingen spielt den "Steppenwolf"

Meldung vom 10.11.2010

Auch das Landestheater in Tübingen hat jetzt Hermann Hesses "Steppenwolf" ins Programm aufgenommen. Die Bühnenfassung stammt von Joachim Lux. Romanbearbeitungen auf deutschen Bühnen sind seit Anfang der 90er Jahre gang und gäbe, vom Publikum inzwischen angenommen und auf den Spielplänen deutscher Theater kontinuierlich zu finden. Bis allerdings die Dramatisierung des Kultbuches „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse für die Bühne freigegeben wurde, mussten die Theater bis 2006 warten. Und anders als bei anderen Romanvorlagen, bei denen jedes Haus seine eigene Fassung erstellen darf, ist im Falle des „Steppenwolf“ einzig die von dem ehemaligen Burgtheater-Chefdramaturgen Joachim Lux erstellte Bühnenversion von den Hesse-Erben autorisiert. Obgleich der Titelheld des Romans, Harry Haller, bereits kurz vor seinem 50. Lebensjahr steht, als er in eine allumfassende Lebenskrise gerät, scheint sein verzweifeltes Hadern mit sich und der Welt immer wieder gerade die junge Generation zur Identifikation anzuregen: Für viele Jugendliche war und ist „Der Steppenwolf“ seit seinem Erscheinen 1927 bis heute der Schlüssel zur Selbstfindung. Mit über 100 Millionen verkauften Exemplaren ist er der meistgelesene deutsche Roman des 20. Jahrhunderts, so die Statistik. Was Hesses autobiographisch verwobene Geschichte des einsamen Wolfes so attraktiv macht, ist die mehrfache Schichtung des Stoffes in verschiedene Bedeutungsebenen: Hesse übt herbe Zeit- und Gesellschaftskritik – die rapide technologische Entwicklung, die Anonymisierung der Massengesellschaft, die Verflachung der Unterhaltungskultur und der aufkommende Nationalismus sind für den späteren Literatur-Nobelpreisträger Hesse in den „roaring twenties“ beunruhigende Tendenzen. Gleichzeitig beschreibt der Roman auch die nach Innen gerichtete Suche nach Individuation und eigener Orientierung: Harry Haller, mit dem Hermann Hesse nicht nur die Initialen gemeinsam hat, ist ein idealistisch eingestellter und psychisch hochsensibler Mensch, der sich bis zum Selbstmordgedanken zerrieben fühlt zwischen dem zivilisierten, ordnungsliebenden „menschlichen“ und dem chaotischen und zerstörerischen „wölfischen“ Teil seiner Persönlichkeit. Erst die Bekanntschaft mit der jungen Gelegenheitsprostituierten Hermine entführt den intellektuellen Zweifler und Grübler weiter, hinein in die für ihn neue Welt der Ausgelassenheit, Erotik und Lebenslust. Doch auch sie ist auf Dauer nicht der Weisheit letzter Schluss. Harry findet sich am Ende im „Magischen Theater“ wieder, in dem er in den vielfach zersplitterten Spiegel seiner Persönlichkeit zu schauen vermag. Humor ist dabei das Stichwort, dass Harry Haller mit auf den Weg bekommt – nicht im Sinne von „Bespaßung“, sondern von wissendem Humor, der an das „Unsterbliche“ heranreicht. Wo der Roman in transzendente Höhen reicht, bleibt die Bühnenfassung von Joachim Lux und die szenische Umsetzung von Regisseur Stefan Rogge natürlicherweise geerdeter. Mit der kräftigen musikalischen Beigabe von Musiker Andreas Debatin, der das LTT-Ensemble immer wieder zu neuen „Band-Formationen“ zusammenstellt, werden die Gedankengebäude Hesses im Bühnenbild von Malte Lübben in kafkaeske surreale Momentaufnahmen transformiert. In der Titelrolle des Steppenwolfs Harry Haller ist Martin Maria Eschenbach zu sehen, als sein alter ego Hermine kehrt – nach ihrer Babypause – Jessica Higgins ans LTT zurück, Hermines Gefährten Pablo und Maria spielen Christian Dräger und Julienne Pfeil, Harry Hallers Vermieter ist Neuzugang Philip Wilhelmi, in den Mehrfachrollen Goethe, Gustav und Professor sehen Sie Gotthard Sinn. Silvia Pfändner und Ina Fritsche alternieren in der Rolle der Unsterblichen.  Termine auf der Homepage des LTT

Zitat der Woche

„Oft ist die Welt schlecht gescholten worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen oder zu viel gegessen hatte.“

Aus Hermann Hesses Essay „Zarathustras Wiederkehr“, 1919