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Lesung mit Hesse-Stipendiat Utz Rachowski

Meldung vom 01.04.2008

„Man lebt in Calw gar nicht so viel anders als in meiner Heimatstadt Reichenbach im Vogtland“, hat Utz Rachowski festgestellt, nachdem er nun bereits seit einigen Wochen in der Stipendiatswohnung unterm Dach des „Calwer Marktes“ wohnt. Das war freilich nicht immer so. Es ist noch keine zwei Jahrzehnte her, da war das in der DDR gelegene Reichenbach noch eine gänzlich andere Welt. Und Utz Rachowski durfte damals seine Heimatstadt nicht mehr betreten.   Es begann alles ganz harmlos, hatte aber Konsequenzen, die sich nicht in der DDR Aufgewachsene kaum vorstellen können: Einige kritische Bemerkungen im Unterrricht und in Aufsätzen sowie die Gründung eines Leseklubs mit Mitschülern, in dem philosophische Schriften gelesen wurden, die nicht mit dem Schulkanon konform waren, reichten aus, dass Utz Rachowski 1971 als 16-Jähriger von der Oberschule verwiesen wurde und mithilfe eines denunziatorischen Lehrers ins Visier der Staatssicherheit geriet.   In der Folge ließ die Stasi nicht mehr locker und betrieb systematisch seine Ausgrenzung. Unter diesem Druck begann Utz Rachowski seine Erfahrungen schriftstellerisch zu verarbeiten. Dies und die Vervielfältigung einiger Gedichte des ebenfalls aus Reichenbach stammenden Dissidenten Jürgen Fuchs führte dazu, dass er 1979 verhaftet und wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu 27 Monaten Haft verurteilt wurde.   Über ein Jahr saß er im Gefängnis, bevor er u.a. auf Betreiben des bekannten Lyrikers und DDR-Aussiedlers Reiner Kunze von der Bundesrepublik freigekauft wurde. Er siedelte sich daraufhin in West-Berlin an, das ihm seine verlorene Heimat Reichenbach aber nicht zu ersetzen vermochte. Nach dem Untergang des DDR-Regimes ging er deshalb wieder in seiner Heimatstadt zurück, wo er seither lebt.   Utz Rachowskis nicht sehr umfangreiches, aber äußerst konzentriertes schriftstellerisches Werk, das in den 30 Jahren seit seiner Ausgrenzung aus der DDR entstanden ist, sowie seine damit verbundene Biografie lassen sich am besten mit einem Aphorismus aus seinem eigenen Werk zusammenfassen: „Die Wege der Freiheit sind gesäumt von den Umwegen der Lebensläufe.“ Dies wird auch ein Thema der Matinee am 13. April sein.

Zitat der Woche

„Der Reiche könnte wohl, aber er kann nicht.“

Aus Hermann Hesses Betrachtung „Kleine Freuden“, 1899