Matinée mit Volker Michels zur Aktualität des Nobelpreisträgers
Meldung vom 10.07.2012


"Lebendiger kann man nicht sein als dieser Dichter!" Diese Behauptung über Hermann Hesse stammt aus dem Munde von Volker Michels, jenem Mann, der sich mit dem Lebenswerk des berühmten Calwer Sohns wohl unbestritten so intensiv befasst hat wie kein Zweiter. Sein Vortrag zum Thema "Auf den Einzelnen kommt es an – Zur Aktualität Hermann Hesses" nehme im Rahmen der Veranstaltungsreihe anlässlich Hesses 50. Todestages eine tragende Rolle ein, hatte Museumsleiterin Susanne Völker, der im Gedenkjahr die konzeptionelle Federführung des Programms obliegt, bei einer Matinée im großen Saal der Musikschule Calw angekündigt. Länger als 40 Jahre ist Michels Lektor beim Suhrkamp-Verlag und fast ebenso lange mit dem Werk Hesses betraut. Derzeitig sammelt, sortiert und publiziert der Herausgeber der ersten Hesse-Gesamtausgabe die mehr als 40 000 Briefe des großen Dichters. "Es gibt von Hermann Hesse kaum Lebensdokumente, denn er war bekanntermaßen medienscheu. Seine Briefe sprechen die Lebensprobleme direkt an, die sonst in seinen Werken nur fiktiv behandelt werden", begründete Michels die Bedeutung jenes "Neulands", welches erst in den letzten Jahren über Hesse entdeckt worden sei. Er habe selbst in dieser Beziehung das Gespräch mit dem Einzelnen gegenüber der Medienpräsenz bevorzugt. Obwohl er schon zu Lebzeiten ein vielfältiges Echo auf seine Veröffentlichungen erfuhr und seit mehr als 100 Jahren von jeder jungen Generation neu entdeckt worden sei, hätte er damals und noch heute von vielen Literaturwissenschaftlern wenig Anerkennung erfahren. "Hesses Tod erfuhr in den Medien weitaus geringere Beachtung als der fast zeitgleiche von Marilyn Monroe", stellte Michels süffisant lächelnd fest. Dass kaum ein Autor im Verhältnis zu seiner Beliebtheit so vernachlässigt wird, manche Kulturkritiker Hesses Schriften sogar zur Trivialliteratur zählen, analysierte Michels so: "Hesse spricht Probleme direkt an. Sie sind nicht verschlüsselt und müssen nicht erst gedeutet werden. Dadurch ist er bei Literaturwissenschaftlern, die ja lieber ihre eigenen Interpretationen hören wollen, nicht unbedingt beliebt." Tatsache ist, dass gerade junge Menschen bei Hesse Verständnis für ihre Konflikte finden und er immer in Zeiten des Werteverfalls eine Renaissance erlebt hat. Hesse ermutigt seine Leser, auf eigenen Beinen zu stehen und sich gegen jede Art von Bevormundung seitens politischer oder religiöser Gemeinschaften mit festen, dogmatischen Regeln zu wehren: "Leben Sie nach dem Drang ihres Herzens!" Hesse weigert sich, allgemeingültige Rezepte und Leitlinien zu geben, er macht dagegen Mut zur Selbsthilfe: "Nicht fremde Autoritäten, sondern nur wir selbst können unsere Probleme lösen; nur der Einzelne ist erziehbar und verbesserungsfähig." Seine religiöse Haltung offenbart er in der Individualität jedes Menschen: "Gott hat mit jedem von uns etwas gemeint." Quelle: Schwarwälder Bote / Andrea Fisel eingestellt von: Pressebüro et cetera