Michels sorgt sich um Calwer Hesse-Museum - Geplante Umgestaltung stößt auf heftige Kritik des Herausgebers
Meldung vom 25.04.2017


Die geplante Umgestaltung des Calwer Hermann-Hesse-Museums stößt auf Widerspruch. Als prominentester Kritiker meldet sich der langjährige Hesse-Herausgeber Volker Michels zu Wort. Er hatte das Museum 1989 konzipiert und zusammen mit dem Grafiker Heiko Rogge eingerichtet. Vor allem der in einem Presseartikel angekündigte Abbau der Dauerausstellung mit Exponaten zu Hesses wichtigsten Lebensstationen und der in diesem Zusammenhang vermittelte Eindruck einer „altbackenen“ Präsentation missfällt Michels.
Dass die Ausstellung - mittlerweile in die Jahre gekommen und strapaziert - durchaus eine Modernisierung vertragen könnte, verkennt der Hesse-Experte nicht. Die geplante Demontage der biografisch werkgeschichtlichen Zusammenschau „zugunsten von diffusen Einzelaspekten“ aber entsetzt den Träger der Hesse-Medaille. Rubriken wie „Hoffnung und Haltung“, „Vergnügen und Vergänglichkeit“, „Liebe und Leidenschaft“ erscheinen ihm „beliebig, schwammig und wenig konkret“. „Mit Luftnummern wie diesen ist, mit Verlaub gesagt, kein Hund an den Futternapf zu locken und die junge Generation, die zu gewinnen die Neugestaltung ja vorgibt, nicht besser abzuschrecken“, mahnt Volker Michels.
Gleichwohl hält der gebürtige Villinger Sonderausstellungen zu wechselnden Themen als Instrument zur Gewinnung immer neuer Publikumskreise „für überlebensnotwendig für jedes Museum.“ Volker Michels ist überzeugt, dass rückläufige Besucherzahlen vermeidbar gewesen wären, wenn Wechselausstellungen im ersten Stockwerk „in den Vorjahren etwas motivierter und weniger reizlos bespielt worden wären.“ Und der renommierte Publizist fügt hinzu: „Hier und nicht in der angeblichen Rückständigkeit des Grundlagenpanoramas, in das auch die innovativen Ergebnisse meiner jahrzehntelangen Forscher- und Herausgebertätigkeit eingeflossen sind, sollte sich die Kreativität der neuen Kuratoren bewähren, statt eine Darbietung zu zerstören, deren Attraktivität man den Gästebucheintragungen von Besuchern aus aller Welt hätte entnehmen können.“
Inhaltliche Konzeption stand nie zu Debatte
In den Jahren nach der Einrichtung des Museums habe es zahlreiche Gespräche mit den Nachfolgern von Karl-Heinz Lehmann - „dem um Hesse verdientesten aller seitdem amtierenden Stadtväter“ – gegeben. Die Frage, auf welche Weise die Präsentation mit modernen Gestaltungstechniken „noch attraktiver und reizvoller zu inszenieren“ sei, habe dabei im Vordergrund gestanden. Die Grundzüge der inhaltlichen Konzeption jedoch hätten nie zur Debatte gestanden, macht Volker Michels deutlich. Vielmehr seien „die beschwerliche Zugänglichkeit der Ausstellung“ über die vielen Treppenstufen in den zweiten Stock des sanierten Schütz’schen Hauses diskutiert worden. „Eine Zumutung für ältere und behinderte Besucher“, findet Michels. Aus Kostengründen sei der Anbau eines Aufzugs indes immer wieder vertagt worden.
Zwischenzeitlich sei es der Stadt jedoch möglich geworden, durch „den Glücksfall einer Erbschaft“ Mittel aus dieser Stiftung ins Hesse-Museum zu investieren stellt der international geachtete Literatur-Experte fest. Doch weder sei das Geld in einen längst überfälligen Aufzug investiert noch mit den Urhebern der Ausstellung zwecks deren Modernisierung Kontakt aufgenommen worden. Stattdessen „wurde über unsere Köpfe hinweg entschieden, die wohldurchdachte Konzeption zu beseitigen und durch eine mehr als fragwürdige zu ersetzen“, macht Volker Michels seiner Verärgerung Luft.
Hesse-Museum Alleinstellungsmerkmal für Calw
Mit dem Hermann Hesse-Museum habe Calw bislang ein Alleinstellungsmerkmal. Denn die kleineren Hesse-Museen in Gaienhofen und Montagnola (Tessin) seinen vorwiegend regional orientiert. Die Calwer Präsentation jedoch beleuchte auf 200 Quadratmetern alle Schwerpunkte von Hesses Leben und Werk „auf ebenso knappe wie anschauliche Weise“, ist Volker Michels überzeugt. „Nirgendwo sonst auf der Welt gab es einen Ort, wo man sich so umfassend und sinnfällig über den Dichter informieren und seinen Werdegang wie auch die eigene Lektüre auf vergleichbar aufschlussreiche und lebendige Weise nachvollziehen konnte“, formuliert Michels. Diesen Anspruch aufzugeben und Hesses Vita auf Teilaspekte zu reduzieren gefährde die Attraktion Hesse-Museum Calw. „Der Organismus einer spannenden Entwicklungsgeschichte“ werde ohne Not in beliebige Einzelteile ohne Zusammenhang zerlegt, befürchtet der Wissenschaftler.
Mit Nachdruck wendet sich Volker Michels gegen die Fragmentierung des biografischen Ausstellungsteils „Dies wäre auch deshalb ein Missgriff, weil es wohl keinen Autor gibt, dessen Werke so unmittelbar aus den Erfahrungen resultieren, die ihm im Lauf seines Lebens zu schaffen gemacht haben. Eine Aufsplitterung in Teilaspekte vermag deren Beweggründe so wenig zu vermitteln wie der Rahmen ein Bild. Die ersatzweise geplante Auflistung der Lebensdaten durch eine Zeittafel im Foyer des Museums kann über die Schicksale, aus welchen Hesses Lebenswerk hervorgegangen ist, allenfalls so viel aussagen wie das Skelett eines Menschen über dessen Aussehen zu seinen Lebzeiten.“
Jede kompetente Neuerung wäre Michels willkommen
Keineswegs wolle er mit seinen Einwänden ein Vorhaben in Frage stellen, das eine Verbesserung des Bestehenden zur Folge hätte. „Jede Neuerung wäre mir willkommen, wenn sie originell wäre oder wenigstens problembewusste Kompetenz erkennen ließe“, versichert Michels. Stattdessen liefen die Planungen auf „eine erhebliche Einbuße der Inhalte und Attraktion des bisher Gebotenen“ hinaus.
Ihm sei einzig daran gelegen, „der Bedeutung und dem zukunftsorientierten Weitblick Hermann Hesses auch künftig die Wirkung zu sichern, die er verdient“, macht Volker Michels deutlich. Dazu könne auch das Calwer Museum beitragen, „an dessen Optimierung mitzuwirken ich jederzeit bereit war und es, trotz der jüngsten Kurzschlüsse, immer noch bin“, versichert der jahrzehntelange Hesse-Herausgeber und Gründer des Hermann-Hesse-Editionsarchives in Offenbach, das von Forschern aus aller Welt benutzt wird. Voraussetzung sei freilich, dass die nun verfügbaren Stiftungsgelder (die man 1989 bei der Einrichtung des Museums gut hätte brauchen können) „nicht auf die vorgesehene Weise in den Sand gesetzt werden“. Sehr wohl könne die bisher bewährte Konzeption u.a. mit den heutigen elektronischen und digitalen Mitteln perfektioniert werden, ist sich Volker Michels im Klaren. Dafür, so Michels, „sollten alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Denn es geht ja nicht um Kraftproben und Profilierungsambitionen, sondern um die bestmögliche Präsentation eines Autors, der mehr Zukunft als Vergangenheit hat, wie auch seine Heimatstadt Calw, deren stärkster Magnet er nur dann bleiben wird, wenn wir die Zugkraft seines Museums optimieren statt sie zu schwächen.“