Verewigte sich Hesse auf einem Felsen?
Meldung vom 26.05.2015


Das Team des Hermann-Hesse-Museums ist derzeit für eine geplante Ausstellung unter dem Titel „Verborgene Schätze“ auf der Suche nach Hesse-Exponaten in Calw und Umgebung, die der Öffentlichkeit noch nicht oder nicht gut genug bekannt sind. In diesem Zusammenhang wurde das Museum nun von der Neubulacher Tourismusinformation darauf aufmerksam gemacht, dass die örtliche Stollengemeinschaft bei Pflegearbeiten im Umfeld des historischen Bergwerks eine eingemeißelte Inschrift „H. Hesse“ auf einem vorher überwucherten Buntsandsteinfelsen gefunden hat. Der Fundort befindet sich am Weg, der von Seitzental zum Bergwerk hochführt, auf Höhe des in die Ziegelbachschlucht hinabführenden „Fledermauspfades“. Die spannende Frage ist nun, ob die Inschrift tatsächlich vom berühmten Calwer Schriftsteller Hermann Hesse stammen könnte? Auch der Calwer Hesse-Kenner Herbert Schnierle-Lutz vermag dazu keine eindeutige Aussage zu machen und erläutert: „Die Sachlage ist komplex. Einerseits wissen wir, dass Hermann Hesse als Jugendlicher ab und zu mit seiner Familie über die Ruine Waldeck nach Talmühle gewandert ist, wo man gerne im gleichnamigen Gasthaus einkehrte und sich am 8. April 1890 sogar ins Gästebuch eintrug. Und vielleicht ist man von dort auch die ca. eineinhalb Kilometer weiter über Seitzental zum alten Bulacher Bergwerk hinaufgegangen. Aber es ist doch sehr die Frage, ob Hermann Hesse dabei tatsächlich Hammer und Meißel mit sich schleppte und die Zeit fand, sich damit im Buntsandstein zu verewigen? Andererseits ist bekannt, dass er der damals verbreiteten Mode, seinen Namen in Felsen zu meißeln, nicht abhold war. In einer seiner autobiografischen Jugenderzählungen erwähnt er, dass er seinen Namen einst in Calw in die Felsen oberhalb der Bischofstraße im Bereich der Eisenbahnlinien eingemeißelt habe. Gefunden wurde diese Inschrift freilich bislang noch nicht. Es könnte nun versucht werden, die Echtheit der Bulacher Inschrift graphologisch zu überprüfen. Dafür fehlt uns aber leider eine Schriftprobe von Hesse in Druckbuchstaben. Seine hinterlassenen Schriftproben aus jener Zeit sind schreibschriftlich, und zwar in der damals üblichen deutschen Schrift, der Kurrentschrift, die der Druckschrift sehr unähnlich ist. Es ist des Weiteren zu bedenken, dass der Name Hesse nicht besonders selten ist und die Inschrift durchaus von einem anderen „H. Hesse“ stammen könnte, z. B. auch von Hermann Hesses jüngerem Bruder Hans, der in Calw in den 1990er-Jahren eine Kaufmannslehre absolvierte und ebenfalls gerne durchs Oberamt wanderte. Und schließlich könnte es noch sein, dass die Inschrift von einem Hesse-Verehrer stammt oder von einem Schelm, der sie in Vorfreude auf unser jetziges Rätselraten eingemeißelt hat.“ Die Bulacher Inschrift wird also wahrscheinlich ihr Geheimnis, ob sie tatsächlich von Hermann Hesse stammt, nicht so einfach preisgeben. Dinge, die garantiert von Hermann Hesse stammen, wird dagegen die Ausstellung „Verborgene Schätze“ zeigen, die Mitte Juli im Calwer Hesse-Museum eröffnet werden wird. Dort wird z.B. auch das Gästebuch des Gasthauses „Talmühle“ zu sehen sein, in das der dreizehnjährige Hesse sich 1890 mit witzigen Bemerkungen eintrug. etc