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Wo Hermann Hesse lernte und litt

Meldung vom 02.09.2008

Roger Sonnewald vom Antiquariat Heckenhauer sucht einen Träger für ein Hesse-Museum im Haus, worin der Dichter und Nobelpreisträger seine Tübinger Lehrjahre verbrachte. Die Räume befinden sich noch 110 Jahre danach nahezu im Originalzustand.   „Der Heckenhauer, der Gewalt über mich hat, steht wie ein Berg hinter mir und wirft überallhin einen langen Schatten“, schrieb Hermann Hesse am 3. Juli 1896 an seine Mutter, „das Staubschlucken und Geldzählen macht einen zum elenden Kerl.“ Fürwahr, das Leben als Buchhändler-Gehilfe war für den jungen Mann kein erstrebenswertes Ziel. Aber es war sein Sprungbrett zum geliebten Schriftstellerberuf.   In Tübingen fand Hesse den Weg in die Dichter-Laufbahn, und an zwei Orten ist seine Existenz in der Universitätsstadt festzumachen: Im Haus Herrenbergerstraße 28, wo ihn die Dekans-Witwe Leopold aufnahm, und im Haus Heckenhauer am Holzmarkt. Hier durchlief Hesse zwischen 1895 und 1898 seine Lehrzeit, dieser hängte er noch ein Jahr als Gehilfe daran. Die Räume im ersten Obergeschoss, in denen Hesse antiquarische Bücher auf ihre Vollständigkeit überprüfte, Zeitschriften expedierte und Ansichtssendungen zusammenstellte, befinden sich noch nahezu im Originalzustand. Hesse-Liebhaber selbst aus Japan, Korea, China und den USA kommen zur Besichtigung, in Vitrinen hat Antiquariats-Inhaber Roger Sonnewald Dokumente ausgestellt, an der Wand hängen originale Fotos mit dem Dichter aus der Sammlung der Familie Sonnewald.   Roger Sonnewald befindet sich auf der Suche nach einem Träger für diese knapp 60 Quadratmeter großen Räume. Er hat die Absicht, das Antiquariat zu verkleinern. Daher könnte im historischen Trakt ein Hesse-Museum entstehen. „Jetzt bietet sich eine einmalige Chance, dass diese entscheidende Epoche in Hesses Leben ein authentisches Andenken erhält“, sagt der Urenkel des Mannes, der dem Dichter-Jüngling zu „gediegenen Kenntnissen“ im Buchhändler-Beruf verhalf.   „Eine Begegnungsstätte für Literatur“ schwebt dem 39-jährigen Sonnewald vor, ein Ort, der das Gedankengut Hermann Hesse vermittelt, ein weiterer Punkt in der Stadt für literarische Führungen. Er und sein Bruder Alfred sehen sich allerdings nicht in der Lage, ein solches Museum auf private Füße zu stellen. Möglicherweise wollen sich die Brüder, so deutete Sonnewald vor dem Tübinger Presseclub an, auch ganz von dem Haus trennen, das sich seit 150 Jahren im Familienbesitz befindet. Aber sie möchten vermeiden, „dass dieser Ort aufgelöst wird“, schon auch deswegen, weil es nicht mehr viele Orte gebe, die diese Aura haben. Nicht nur Hesses Geist schwebt durch das Heckenhauer-Haus. Der Dichter Josef Eberle alias Sebastian Blau ging hier ab 1917 zur Lehre, Walter Jens war im Antiquariat häufig zu Gast.   Sonnewald steht im Kontakt mit der Stadt. Am Montag trifft er sich zu einem Gespräch mit OB Boris Palmer und Kulturamtsleiter Wilfried Setzler.   Quelle: Schwäbisches Tagblatt Autor: Raimund Weible

Zitat der Woche

„Der Kleinere sieht am Größeren das, was er eben zu sehen vermag.“

Aus Hermann Hesses Roman „Das Glasperlenspiel“, 1943