Würdiger Abschluss des Gerbersauer Lesesommers
Meldung vom 14.08.2014


Mit einem würdigen und festlichen Vortragsabend wurde am Samstagabend, 9. August, des 52. Todestages von Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse gedacht. Gleichzeitig lauschten viele Hesse-Freunde in der gut gefüllten Calwer Stadtkirche der letzten Lesung des Gerbersauer Lesesommers 2014. "Heute wird eine Geschichte vorgetragen, die wir so noch nie gehört haben. Gleichzeitig werden wir Musik spielen, die Hesse sicher gefallen hätte", kündigte Initiator Herbert Schnierle-Lutz an. Thema des Abends war eine Geschichte, deren Originalschauplätze noch heute in Calw zu sehen sind. Die Rhetorikpädagogen Karin Huber und Markus Anders lasen auf eindrucksvolle Weise Passagen aus dem im Jahr 1934 entstandenen "Der vierte Lebenslauf des Josef Knecht". "Dieser ist einer von mehreren Lebensläufen, die Hesse für die Hauptfigur seines großen Alterswerks ›Das Glasperlenspiel‹ entworfen hat", hob Schnierle-Lutz hervor. Es sei unverkennbar, dass Hesse bei der kleinen schwäbischen Stadt, in der sein Protagonist Knecht aufwächst, seine Heimatstadt Calw im Hinterkopf gehabt habe. Der sehr begabte Josef Knecht stammt aus einem einfachen Elternhaus. Sein Vater hat den seltenen handwerklichen Beruf des Brunnenmachers. Seine fromme Mutter ist Pfarrerstochter und hegt den sehnlichen Wunsch, dass ihr Sohn Theologie studieren soll. Gemeinsam ist den Eltern, dass sie die Musik lieben. Daher wird in Josefs Elternhaus viel gesungen. Der Knabe fühlt sich vor allem von der glanzvollen Orgelmusik angezogen, die er in der Stadtkirche immer wieder hört. Der Dekan und der Lehrer nehmen sich des intelligenten Jungen an und bereiten ihn auf das "Landexamen" vor. Dann beginnt für Josef der typische württembergische Weg über die Klosterschulen und das Tübinger Stift zum Studium der Theologie. Auch als Schüler und Student ist er ergriffen von der Musik, musiziert mit Freunden und nimmt Orgelunterricht. Nachdem Knecht als Magister der Theologie ein Pfarramt übernehmen könnte, schreckt er zunächst vor dieser Verantwortung zurück. Er offenbart sich einem theologischen Lehrer seines Vertrauens. "Besprechen Sie das mit ihren Eltern, Knecht. Sagen Sie ihnen alles ganz aufrichtig. Der liebe Gott hat für jeden von uns eine Verwendung, wir müssen nur willig sein", lautet der Rat des Theologen. Der junge Magister nimmt zunächst eine Pfarrstelle an, fühlt sich jedoch in dem Beruf nicht wohl. Er legt sein Amt nieder, wird Kantor und entdeckt die großartige Orgelmusik seiner Zeit. Auch der musikalische Teil der stimmungsvollen Veranstaltung war ein tiefes Erlebnis. Hagner spielte großartige Orgelwerke von alten Meistern, die im Vorlesetext vorgekommen waren. Bei den dargebotenen Kompositionen von Dietrich Buxtehude, Georg Muffat, Johann Pachelbel, Georg Friedrich Händel, Georg Philipp Telemann und Johann Sebastian Bach zog der Kirchenmusiker alle Register seines Könnens. Dabei bot er den Hörern ein intensives, vielseitiges Konzert hoher Orgelkunst. Sorgten für einen stimmungsvollen Ausklang des Lesesommers (von links): Martin W. Hagner, Karin Huber, Markus Anders und Herbert Schnierle-Lutz. Foto: Bausch Text und Bild: Bettina Bausch / Schwarzwälder Bote eingestellt: etc