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Angelika Klüssendorf

Angelika Klüssendorf
Andreas Laich

„Ich habe mich gesehen gefühlt“, attestierte Angelika Klüssendorf, 51. Stipendiatin der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung Laudatorin Dr. Ruth Jakoby. Denn die Goethe-Preisträgerin hatte die vielfach ausgezeichnete Autorin mit einer meisterhaft treffenden Würdigung im Casino der Sparkasse in Calw willkommen geheißen. In der „Dichterklause“ im Hesse-Geburtshaus arbeitet Angelika Klüssendorf am Abschluss der Trilogie „Das Mädchen“ – „April“. Bereits 70 Seiten hat sie, allerdings nicht nur in Calw, bereits zu Papier gebracht.

Dr. Andreas Narr, Vorsitzender der von Südwestrundfunk und Sparkasse ins Leben gerufenen Hesse-Stiftung, begrüßte die Stipendiatin und hofft auf einen literarischen Beitrag über den Calw-Aufenthalt. Die in Leipzig aufgewachsene Schriftstellerin zeigte sich angetan von Calw und meinte, es sei „großartig, überall Hesse zu begegnen.“

Die Romanheldinnen in „Das Mädchen“ und „April“ – benannt nach einem Frühwerk der Rockband Deep Purple – „neigen zum Wegrennen“, stellte Ruth Jakoby fest: „Beide erlaufen sich die Freiheit, ihr Leben, ihre Identität, indem sie vor schrecklichen Zumutungen, vor Lieblosigkeit, vor der Stasi und vor der Polizei fliehen. Nach Klauereien und vor Geliebten abhauen. Und gelegentlich vor ihrem eigenen Leben.“ Klüssendorfs literarische Schöpfungen seien „recht freiheitsliebende Wesen“.

In Leipzig, wo die Freiheit „auf die wir stolz sind“ bekanntermaßen mit erstritten wurde, ist Angelika Klüssendorf aufgewachsen, hier beginnt sie zu schreiben, hier beginnt auch Romanheldin „April“ mit den Worten zu ringen. „Trotz dieser Freiheitsfolie im Hintergrund“, formulierte Dr. Jakoby, schaffe die Hesse-Stipendiatin „keine politische Aufklärungsprosa, keine Vergangenheitsbewältigungs-Literatur.“ Ohne Pathos, lakonisch erzähle Klüssendorf, „wie man sich aus schwierigsten, unwürdigsten und beengtesten Verhältnissen eine Zukunft erkämpft, eine Identität erarbeitet.“ 2014 erhielt „April“ den mit 10 000 Euro dotierten Buchpreis der SWR2-Bestenliste. Der renommierte Kritikerr Rainer Moritz hat übrigens einen expliziten Bezug zwischen dem Vorgängerroman „Das Mädchen“ und Hermann Hesses „Unterm Rad“ gesehen. Als „Stilsicher eigen, jetztzeitig und irgendwie doch in guter deutscher Bildungsromantradition“ charakterisierte die Laudatorin den Stil der Hesse-Stipendiatin, die lange Zeit mit dem verstorbenen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher verheiratet war.

Vier Bände Erzählungen, zwei Theaterstücke, bislang drei Romane, ungefähr zehn ehrenvolle Auszeichnungen adierte Dr. Jakoby Angelika Klüssendorfs Werk in Zahlen. Und die Hesse-Stipendiatin stellte ihre Meisterschaft mit zwei kurzen Lesungen aus „April“ unter Beweis, zog die Zuhörer mit ihrem klaren, reinen, schlüssigen, reduzierten Stil in Ihren Bann. Am 15. März um 11.15 Uhr können sich Literaturfreunde im Calwer Hesse-Museum bei einer Lesung der Stipendiatin einen Eindruck von deren Formulierkunst verschaffen.

Andreas Laich

Zitat der Woche

„Etwas lieben können – welche Erlösung!“

Aus Hesses Erzählung „Klein und Wagner“, 1919