Der vogtländische Schriftsteller Hans Joachim Schädlich ist neuer und bereits 38. Stipendiat der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung. Und er ist der Erste, der die neue Stipendiaten-Wohnung in Hesses Geburtshaus – heute im Besitz der Familie Schaber – genießen kann.
Dem Wahlberliner gefällt neben Stadt und Wohnung vor allem „die frische, würzige Waldluft.“ Die Hesse-Stiftung wird getragen von der Sparkasse Pforzheim Calw und vom SüdwestRundfunk.
Hesse-Stiftungs-Vorsitzender Dr. Andreas Narr hieß den neue Stipendiaten im Casino der der Sparkasse auch im Namen der Stadt willkommen. Narr erinnerte an die Gründung der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung 1989 durch seinen Vorvorgänger als Studioleiter beim SüdwestRundfunk, Dr. Hubert Locher, und den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Pforzheim Calw, Jürgen Teufel.
„Geld und Publizistik“ seien zusammengekommen, und zum Hesse-Preis habe sich auf Vorschlag von Egbert-Hans Müller dann auch das Hesse-Stipendium gesellt. Dr. Narr hob zudem das Entgegenkommen von Hesse-Geburtshaus-Besitzer Heinz Schaber hervor.
Egbert-Hans Müller, Vorsitzender der Findungskommission der Stiftung, stellte den neuen Stipendiaten in gewohnter sprachlicher Eleganz und Präzision vor. Demnach zählt Kritiker-Papst Reich-Ranicki Schädlich seit Erscheinen seines Erstlings „Versuchte Nähe“ 1977 „zu den besten Erzählern seiner Generation.“
Nobelpreisträgerin Hertha Müller schrieb zum Siebzigsten des vielfach ausgezeichneten Hesse-Stipendiaten: „Das ist das Meisterhafte in allen Büchern Schädlichs. Die Sätze sind so schlau, sie sehen so aus, als wären sie ahnungslos in ihrer spöttischen Tragik und ihrer verletzten Ironie, dass man bei Schädlich immer denkt beim Lesen, viel weiter kann man nicht gehen, ohne sofort zu verzweifeln.“
Mit einem Auszug aus dem jüngst bei Reinbek erschienenen „Kokoschkins Reise“ machte Hans Joachim Schädlich die Richtigkeit dieses Charakterisierung deutlich. Ein emeritierter Biologieprofessor erinnerte sich an Bord der Queen Mary II auf der Rückfahrt von Europa nach Amerika an die Erlebnisse beim Besuch der Städte seiner Kindheit wie St. Petersburg, Odessa und Berlin. Im Wechsel mit scheinbar banalen Tischgesprächen an Bord des Luxusliners entwirft Schädlich so fast unmerklich ein kenntnisreich bebildertes Panorama des letzten Jahrhunderts.
Seit 1979 lebt der 1935 in Reichenbach geborene Vater von drei Kindern im Berliner Westen. Bis 1976 war der promovierte Germanist Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften gewesen. Ende der Sechzigerjahre waren die ersten Texte entstanden, deren Veröffentlichung wegen unverhohlener Kritik an den herrschen Zuständen aber verboten. Der Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns kostete Schädlich die Stelle an der Akademie und führte 1979 zur Übersiedlung in den Westen.