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Margherita Carbonaro

Margherita Carbonaro
Andreas Laich

Man hat beim Spaziergang durch Calw den Eindruck, die Stadt gehöre zu den italienischsten nördlich der Alpen“, erzählte die 60. Stipendiatin der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung bei der Vorstellung in der Sparkasse in Calw.

Die Mailänder Autorin und Übersetzerin spielte damit auf ihre Erzählung „Das Leben ist hier“ an, die in Wolfsburg spielt, „der italienischsten Stadt nördlich der Alpen“. Und Laudator Tobias Scheffel gelang es im Podiumsgespräch, der „Stimme Herta Müllers in Italien“ viel Interessantes und Aufschlussreiches über ihre Arbeit zu entlocken.

Tobias Scheffel führte bei der Vorstellung der Stipendiatin in die Vita von Margherita Carbonaro ein: Sie habe „ein ausgeprägtes Ohr für höchst unterschiedliche Stimmen“, für Klassiker wie Carl Sternheim, Thomas Mann und Max Frisch, Gegenwartsautoren wie Uwe Timm, Herta Müller, Christoph Ransmayr und Ingo Schulze.

Schon im Gymnasium habe sie angefangen, Deutsch zu lernen, habe sich von der Sprache und Literatur angezogen gefühlt, erzählte die Hesse-Stipendiatin. „Deutsch hat eine sehr große Kraft“, stellte die Literaturwissenschaftlerin schnell fest. Und sie erkannte bald, dass sie eine größere sprachliche Affinität zu Autoren aus dem 20. Jahrhundert und der Gegenwart hat.

Besonders angetan haben es ihr die Nobelpreisträger Thomas Mann und Herta Müller, an deren Roman „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ Margherita Carbonaro aktuell arbeitet. Die Frage Scheffels, ob sie beim Übersetzen – z.B. vonThomas Mann – eine „Phase des Eintauchens“ benötige, verneint die Stipendiatin. „Man lernt das Buch allmählich kennen“, erzählt sie, und weil sie generell viel lese, habe sie, „ohnehin viel Thomas Mann im Kopf.“ Allerdings sei Voraussetzung einer literarisch guten Übersetzung, dass man Ausgangs- und Zielsprache gut kenne. „Wenn ich eine Zeit lang nichts Italienisches gelesen habe, bin ich richtig hungrig, ich muss die einfach in meinen Ohren haben“, bekennt die Stipendiatin.

Wie geht die weitgereiste Literatin beim Übersetzen vor? „Am Anfang weiß ich nicht, was herauskommt, erst am Schluss weiß ich, wie die richtige Stimme sein muss“, gibt die 60. Stipendiatin Einblicke in die erste Fassung. Bei der zweiten Fassung müsse „der Text anfangen, ein italienisches Leben zu entwickeln.“ Ab der dritten Fassung arbeitet die Übersetzerin dann nur noch auf Papier. Die vierte ist dann meist auch die endgültige Fassung. Immens wichtig ist Carbonaro der Sprachrhythmus, „an dem muss ich richtig viel arbeiten. Ich lese dann laut, um zu hören, wie es klingt.“

Überhaupt ist das Verhältnis der Tochter eines Sizilianers und einer Lettin zur eigenen Muttersprache überraschend: „“Für uns Italiener klingt unsere Sprache nicht immer so melodisch; italienisch kann auch hart sein“, offenbart die Hesse-Stipendiatin, die ihren Namen lachend als „Konzentrat der italienischen Küche“ umschreibt. Diese partielle Härte eignet sich durchaus für Herta Müllers Texte. „Bei ihr ist jedes Wort wichtig, man muss sehr präzise an jedem arbeiten.“

Andreas Laich

Zitat der Woche

„Etwas lieben können – welche Erlösung!“

Aus Hesses Erzählung „Klein und Wagner“, 1919