Mirko Bonné als 66-ster Hesse-Stipendiat in Calw begrüßt
Er hat sich für seinen dreimonatigen Calw-Aufenthalt einiges vorgenommen, arbeitet momentan unter anderem an der Übersetzung von Oscar Wildes Briefen aus dem Gefängnis. Mirko Bonné, dem 66. Stipendiaten der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung, ist in der „Dichterklause“ im Haus Schaber also sicher nicht langweilig.
Stiftungs-Geschäftsführerin Elke Ruff und Vorsitzender Dr. Andreas Narr hießen den vielfach ausgezeichnete Autor und Übersetzer Anfang Mai in Calw willkommen. Auch die Findungskommision der Hesse-Stiftung, getragen von Sparkasse Pforzheim Calw und Südwestrundfunk, war vollzählige vertreten mit ihrer Vorsitzenden Jutta Bendt-Gloge, Dr.Ute Hübner, Dr. Ruth Jakoby, Christa Linsenmaier-Wolf und Tobias Scheffel.
Der gebürtige Oberbayer Mirko Bonné, der heute abwechselnd in Hamburg und im provencalischen Luberon lebt, will in Calw zudem seinen jüngsten Roman abschließen. „Die gezählten/ungezählten Tage“ – noch steht der Titel nicht endgültig fest – umreißt die Lebensbilanz eines 70-jährigen Mannes. Handelt aber auch von einer jungen Frau, die den „autonomen Widerstand gegen Bürgerlichkeit“ mit dem Älteren gemeinsam hat. Wieder verhandelt Bonné darin Themen wie Verschwinden und „Vereinzelung“, Verbergen und Verdrängen. Im Gespräch bekennt der vielfach ausgezeichnete Autor, wie schwierig es ist, sich oder andere im Roman „nicht zu sehr zu entblößen.“ Denn natürlich fließe das eigene Erleben mit in die handelnden Figuren ein.
Bonnés Ehefrau Juliette Aubert-Affholder ist ebenfalls literarisch tätig und übersetzt die Werke von Daniel Kehlmann in ihre Muttersprache Französisch. Für ihre Übertragung seines Meisterwerks „Tyll“ wurde sie vor wenigen Wochen in Paris mit dem Nerval-Goethe-Preis ausgezeichnet. Dafür hat der Hesse-Stipendiat dann seine „Dichterklause“ natürlich kurzzeitig verlassen.
Aber zurück zum vielfach ausgezeichneten Mirko Bonné, der neben Romanen auch Gedichtbände, Aufsätze und Reisejournale verfasst hat. Stipendien und Reisen führten den zurückhaltend auftretenden Hesse-Stipendiaten bereits nach Australien, ins Baltikum, nach Skandinavien, Russland, China, Iran, Latein- und Südamerika, die USA und die Antarktis.
Sein aktueller, 2021 erschienener Roman „Schneeland“ knüpft denn auch an die Erzählung „Der eiskalte Himmel“ von 2006 an. Mitreißend und wortgewaltig wird im ersten Band das Schicksal des blinden Passagiers Merce Blackboro geschildert, der 1914 an Bord der „Endurance“ mit Ernest Shackleton in die Antarktis segelt. Die eindringliche Schilderung des Familienlebens in Wales, die prägnant und stimmig gezeichneten Figuren, die exakte Beschreibung des beengten Lebens an Bord. All das verknüpft der Autor zu einer im wahrsten Sinne des Wortes mitreißenden Handlung. Und in „Schneeland“ nun wird die Geschichte nach Ende des zweiten Weltkriegs als Auswanderererzählung weitergesponnen.
„Die Flucht aus der Enge, die Reise in die Fremde, Grenzüberschreitungen durch Gestalten, die sich im Schatten wähnen“ tauchen in Mirko Bonnés Büchern immer wieder auf. Seine Figuren ergeben sich freilich nicht ihrer Verzweiflung, sie kämpfen gegen Resignation und Desillusionierung an.