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Zsuzsa Bánk

Zsuzsa Bánk
Andreas Laich

Einen „inspirierenden, kreativen Aufenthalt“ – trotz Lärmbelästigung durch den Rathaus-Umbau gegenüber – wünschte Filialdirektor Markus Schwarz der Hesse-Stipendiatin Zsuzsa Bánk bei der Begrüßung im Casino der Sparkasse. Denn eigentlich braucht die Autorin „gespenstische Ruhe ringsum, Zeit und Konzentration“ beim Schreiben. Im Hesse-Geburtshaus der Familie Schaber am Calwer Marktplatz arbeitete die gebürtige Frankfurterin bis Mitte August 2016 an ihrem neuen Roman, der voraussichtlich den Titel „Schlafen werden wir später“ trägt.

„Getränkt von sehr viel Lebensklage, Lebenswut“ sei der entstehende Roman, „es wird alles besprochen, alles auseinandergenommen“, verriet die 55. Hesse-Stipendiatin. Und auch, dass das neue Werk „ausnahmsweise“ in der Gegenwart spielt. Angesichts des nahenden Abgabetermins beim Verlag gestand Zsuzsa Bánk, „ich staune immer, es kann doch nicht sein, dass ich das schon für abgeschlossen hielt.“ Ihre meisterhafte Formulierkunst, in Rezensionen immer wieder als „Magie“ bezeichnet, stellte die Hesse-Stipendiatin durch einen Auszug aus dem Manuskript des kommenden Romans unter Beweis.
Stiftungs-Vorsitzender Dr. Andreas Narr hatte Zsuzsa Bánk in der Hesse-Stadt willkommen geheißen. Und wie gewohnt die Hoffnung geäußert, sie möge eine literarische Spur ihres Aufenthalts hinterlassen. Jutta Bendt, Bibliotheksleiterin am Deutschen Literaturarchiv in Marbach, führte eloquent ins Werk der Hesse-Stipendiatin ein. Deren Eltern waren nach dem Aufstand in Ungarn 1956 in den Westen geflohen, wo Zsuzsa Bánk 1965 in Frankfurt zur Welt kam. Zsuzsa Bánk hat nach eigenen Aussagen früh zu ihrem Stil gefunden. Durch „exzessives Schreiben, manisches Lesen und manisches Selbstlektorat“, zitierte Jutta Bendt.

Nach einer Buchhändlerlehre studierte Zsuzsa Bánk Literatur, Publizistik und Politik, verbrachte als Fulbright-Stipendiatin ein Jahr in Washington. Ihr erster Roman „Der Schwimmer“ (2002) war gleich ein großer Erfolg, wurde über 150 000 mal verkauft, in zahlreiche Sprachen übersetzt und erhielt zahlreiche Auszeichnungen: den Aspekte-Literaturpreis, den Mara-Cassens-Preis des Literaturhauses Hamburg, den Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung, den Deutschen Bücherpreis in der Kategorie „Erfolgreiches Debüt“, später den Adelbert von Chamisso-Preis.
„Es ist der magische Ton, den das Buch in großer Leichtigkeit anstimmt und über nahezu 300 Seiten hält und der die Leserschaft und die Literaturkritik gleichermaßen eingenommen hat“, attestierte Jutta Bendt. „Präzision und Behutsamkeit“, „souveränes Gefühl für Rhythmus und Dramaturgie“ lobte die Neue Zürcher Zeitung. Die FAZ sprach von „wunderbar trauriger Poesie“.

Drei Jahre nach „Der Schwimmer“ folgte der Erzählband „Heißester Sommer“ und 2011 ihr zweiter Roman „Die hellen Tage“, an dem sie mehr als drei Jahre gearbeitet hat. Mit zehn Auflagen im ersten Jahr – Platz vier in der SWR-Bestenliste, als Taschenbuch monatelang auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste – enorm erfolgreich. In einem Interview stellte Zsuzsa Bánk den Inhalt vor: „Ich würde sagen, hier wird eine Kindheit in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhundert beschrieben, in einer kleinen Süddeutschen Provinzstadt. Es geht um die ewig um den Menschen kreisenden Themen Liebe und Verrat, Schuld und Vergebung, Schicksal oder Zufall. Drei Kinder finden sich und schließen Freundschaft fürs Leben.“ Und über ihre Beweggründe beim Schreiben meinte die Mutter von zwei Kindern: „Am Anfang stand für mich die Frage, was ist dem Menschen zuzumuten, und inwieweit sind wir überhaupt in der Lage, uns von unserer Kindheit zu befreien. Kurzum: Was bestimmt eigentlich unsere Lebenswege?“
Die von Zsuzsa Bánk geschaffenen Figuren entwickeln im Verlauf der Handlung ein Art Eigenleben. „Ich weiß auf Seite eins nicht, was auf Seite 187 oder 387 geschehen wird, aber da ich jeden Schritt mit Ihnen gehe, kann ich meistens auch schon den nächsten denken“, offenbart die Autorin. Und auch den Anspruch an die eigene Arbeit macht sie deutlich: „Man soll den Roman an einer beliebigen Stelle aufschlagen können und sofort eine Essenz haben.“

Andreas Laich

Zitat der Woche

„Oft ist die Welt schlecht gescholten worden, weil der, der sie schalt, schlecht geschlafen oder zu viel gegessen hatte.“

Aus Hermann Hesses Essay „Zarathustras Wiederkehr“, 1919